Wirtschaft

Der Patron – Klassiker mit Zukunft

Der Patron – Klassiker mit Zukunft
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Er hat seine Firma selbst gegründet, geerbt oder – meist marode – übernommen und dann sukzessive gross gemacht, oft mit eiserner Faust, pardon: eisernem Willen. Er hat Kapital investiert, trägt Risiko und Verantwortung – und er hat immer das letzte Wort: der Patron. Ist dieses Modell noch zeitgemäss? Roland Waibel, Leiter des Instituts für Unternehmensführung an der OST erklärt, was einen Patron ausmacht, wieso heute Unternehmen vermehrt auf flache Hierarchien setzen – und ob dies in jedem Fall erfolgsversprechender ist.

Roland Waibel, wenn wir von «Patrons» in der Ostschweiz sprechen, fallen schnell Namen wie Peter Spuhler, Edgar Oehler, Martin Kull oder Dölf Früh. Wo liegt der gemeinsame Nenner?
Auch wenn ich diese Unternehmer nicht persönlich kenne, zeigt ihre Geschichte, dass sie alle viel Mut und Risikobereitschaft an den Tag legten. Sie hatten eine langfristige Strategie und meist auch eine wachstumsbasierte Vision für ihre Firmen. Sie haben sehr viel Herzblut und Arbeit investiert und waren bereit, Verantwortung zu tragen.

Was macht denn einen typischen Patron aus?
In der Regel sind Patrons Machertypen, Instinktmenschen mit Gespür für Chancen und Märkte. Es sind Unternehmer, keine Unterlasser – sie sind sehr dynamisch, pragmatisch, vorwärtsstrebend, risikofreudig, aber keine Hasardeure. Meist sind sie Familienmenschen und wollen die Firma enkelfähig aufstellen. Sie denken oft in Generationen und haben ein unverkrampftes Verhältnis zu Führung und Macht. Ein Patron mag Ecken und Kanten haben und auch mal Klartext reden, ist aber im Wortsinn jemand, der «väterlich» für das Unternehmen und seine Mitarbeiter sorgt. Mir fallen hier noch viele weitere Beispiele ein, z. B. Hans Huber von SFS, Katharina Lehmann von Blumer-Lehmann, die Brüder Jüstrich von Just, Gabriela Manser von Goba, Karl Locher von der Brauerei Locher, Christoph Solenthaler vom gleichnamigen Recycling-Unternehmen, Franziska Tschudi von Weidmann oder Karl Zünd von Zünd Systemtechnik. 

Wo sehen Sie die Vorteile dieses Modells?
Natürlich gibt es auch bei Patrons eine grosse Streuung. In einer positiven Ausprägung sehe ich grosse Vorteile, besonders in der heutigen VUKA-Welt, die durch hohe Volatilität, Ungewissheit, Komplexität und Ambivalenz geprägt ist. Gerade grössere Publikumsgesellschaften sind oft so komplex, bürokratisch und langsam, dass sie nicht mehr optimal unterwegs sind. Gute Patrons fokussieren dagegen auf Wertschöpfung und halten die Firma einfach, schlank und schnell. Entscheide werden unkompliziert gefällt. Und vielleicht das Beste: Gute Patrons investieren substanziell und antizyklisch, also gerade auch in Krisen. Das verschafft ihnen den Vorsprung gegenüber anderen. 

 

  

Und wie verhalten sich weniger gute Patrons?
In einer weniger guten Ausprägung hängen Patrons oftmals der «Alles geht über meinen Tisch»-Mentalität an. Sie leben ein Befehl-Gehorsam-Modell, das heute nicht mehr zeitgemäss ist. Selbstüberschätzung trifft auf Starr- und Sturheit. Und das Schlimmste ist: «Nix gsagt ist genug globt», d. h. es herrscht eine mangelnde Vertrauens-, Kooperations- und Wertschätzungskultur.

Beim Begriff «Patron» denken viele vor allem an Männer. Ist der Mann eher dazu prädestiniert, alleine zu führen, oder ist das einfach eine Generationenfrage? – Die allermeisten Patrons sind ja, eigentlich, schon im Rentenalter.
Das ist tatsächlich vor allem eine Generationenfrage und wird sich künftig immer stärker zugunsten der Frauen verschieben – ich habe ja schon einige erwähnt. Es gab aber schon immer berühmte Frauen als Patronnes, denken Sie nur an die Champagner-Unternehmerinnen wie Veuve Cliquot oder die Damen Pommery und Perrier. Auch in der Ostschweiz kennen wir erfolgreiche und umsichtige Unternehmerinnen wie Caroline Studer von Mila d’Opiz, Barbara Ehrbar-Sutter von Breitenmoser Fleischspezialitäten oder Andrea Berlinger von der gleichnamigen Firma.

Unternehmen setzen heute eher auf flache Hierarchien, also mehr auf Teams als einen einzelnen Chef, auf demokratische Entscheide statt auf Befehle. Hat das Patron-Modell im 21. Jahrhundert ausgedient?
Nein, das Patron-Modell in der guten Ausprägung hat keinesfalls ausgedient, eher im Gegenteil. Ich würde es als «Klassiker mit Zukunft» bezeichnen. Die Welt ist so kompliziert und unübersichtlich geworden, dass Unternehmen mit schlanken Prozessen, einheitlicher Führung, schnellen Entscheiden und klaren Verantwortlichkeiten zunehmend mehr Vorteile ausspielen können.

 

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Die einen sagen, Verantwortung sei nicht teilbar und schwören demzufolge auf hierarchische Strukturen. Andere meinen, Hierarchien seien Effizienzkiller, die die Hälfte aller Kapazitäten eines Unternehmens auffressen. Wer hat recht?
Unteilbare Verantwortung ist Blödsinn. Wenn die kollektive Intelligenz einer Firma sich auf das Wissen des obersten Chefs beschränkt, dann ist die Firma arm dran, selbst wenn dieser ein Genie ist. Gescheite Patrons haben schon immer starke Persönlichkeiten auf allen Ebenen gefördert und diese aktiv in die Verantwortung einbezogen. In unserer hyperdyna-mischen und komplexen Welt sind wir auf die Weisheit der Vielen angewiesen: Die Entscheidungsverantwortung muss an die Front – dort, wo die wertschöpfenden Experten tätig sind. Das heisst nicht, dass es nicht klare Hierarchien braucht. Ohne diese geht es nicht, rein demokratische Ansätze sind Hypes, die sich nicht durchsetzen werden. Es braucht auf allen Ebenen Entscheidungsträger – bzw. genauer: Entscheidungsfäller, die das Unternehmen schnell und nahe am Expertenwissen halten.

Gibt es Studien, die belegen, welches Führungsmodell am Erfolgversprechendsten ist?
Gute Führung stellt fähige, eigenständige Kompetenzträger ein und gibt ihnen Entfaltungsmöglichkeiten. In einer Vertrauenskultur wird intensiv zusammengearbeitet und die Mitarbeiter haben breite Kompetenzen und Freiräume. Die Führung schaut auf eine erfreuliche, unkomplizierte, familiäre Kultur mit starkem Sinnbezug und hoher individueller Wertschätzung. Die wichtigsten Zusammenhänge habe ich in meinem Buch «Die 7 Prinzipien zum Unternehmenserfolg» beschrieben. Generell kann man sagen, dass man in der Praxis die beste Unternehmensführung oft bei den «Hidden Champions» findet, den Nischen-Weltmarktführern, die in der Regel nicht börsenkotiert und damit breit bekannt sind und deshalb oft unter der Wahrnehmungsoberfläche der Medien segeln, eben «hidden» sind. In der Ostschweiz gehören z. B. Bühler, Sia Abrasives und Otto Hofstetter dazu, ebenso Sigvaris, Bartholet, Delinat, Arcolor, Sefar oder Wyon. Hier findet sich oft auch die beste Ausprägung des Patron-Modells.

Gerade Start-ups setzen auf flache Hierarchien. Wäre ein Patron-Modell 2.0 für ein Start-up völlig ungeeignet?
Ich sehe keine Gegensätze, im Gegenteil: Start-ups sind sehr wertschöpfungsfokussiert, wachstumsorientiert, entscheidungsfreudig, mutig, risikobereit und schnell. Sie müssen für ihre kompetenten Mitarbeiter schauen und ihnen attraktive Rahmenbedingungen über den Lohn hinaus bieten. All das macht auch einen guten Patron aus. Viele erfolgreichen Gründer sind umsetzungsstarke Macher, denken Sie nur an Elon Musk, Mark Zuckerberg, Alfred Escher oder Nicolas Hayek.

Dann sterben die Patrons nicht aus?
Ganz im Gegenteil, eine zeitgemässe Patronkultur ist zu- kunftsträchtiger denn je: Als Vorbild mutig vorangehen, die Leute inspirieren, sie aber fördern und machen lassen, mit langfristiger Perspektive investieren und die Firma überschaubar und unkompliziert halten – diese Qualitäten werden noch viel wichtiger werden, als sie heute schon sind.

Ein Problem, das alle Patrons betrifft, ist die Nachfolge: Als Alphatiere lassen sie kaum jemanden neben sich gross werden und können nicht loslassen.
Wenn Unternehmer die Angestellten klein halten und nicht loslassen können, sind sie keine guten Patrons. Trotzdem wissen wir aus der Forschung, dass in Familienbetrieben genau die interne Nachfolge nicht immer die beste Lösung ist, jedenfalls nicht als Firmenchef. Viele sehr erfolgreiche Ostschweizer Unternehmen wie SFS, Bühler oder Geberit haben hier nachhaltige externe Lösungen gefunden.

Text: Tanja Millius

Bild: Marlies Thurnheer

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