Wirtschaft

«Elf Freunde müsst ihr sein»

«Elf Freunde müsst ihr sein»
Maurice Weber
Lesezeit: 6 Minuten

Maurice Weber ist mit seiner W+P Weber und Partner AG derzeit bestens unterwegs: Nicht nur baut das 120-köpfige Wiler Planungsbüro die grössten Industrie- und Logistikbauten Europas – auch beim FC Wil 1900, den Weber präsidiert, läuft alles rund. Was ist sein Erfolgsrezept?

Maurice Weber, Sie bauen aktuell für die Genossenschaft Metzgermeister St.Gallen, Meier Tobler AG, Lidl Schweiz, Dr. Babor GmbH, Huber+Suhner AG, Bell Schweiz AG, Gericke, Fresh Food & Beverage Group, HG Commerciale oder Glatz AG. Welches Projekt ist das grösste?
Grösse ist im Bau ein relativer Begriff. Rein von der Fläche her gesehen ist es keines der von Ihnen erwähnten Projekte: Im polnischen Lodz realisieren wir für ein internationales Unternehmen eine neue Produktionsanlage für Wellpappe. Die Dimension dieses Projektes übersteigt alles, was wir uns in der Schweiz vorstellen können. Wir bauen einen Produktionsbetrieb auf einem Gelände von 360 × 85 m – das sind über vier Fussballfelder.

Und welches hat Sie vor die grössten Herausforderungen gestellt?
Eine Floskel besagt, dass jedes Projekt einzigartig sei und ganz eigene Herausforderungen mit sich bringe. Sicher sehr herausfordernd war die Produktionsanlage für Royal Döner. Für das Unternehmen bauten wir eine neue Dönerproduktion mit Eventhalle und Vereinshaus. Noch nie zuvor hatte jemand eine Dönerproduktion in dieser Grössenordnung umgesetzt. Selbst die Spezial-Paletten mussten neu entwickelt werden, damit die Dönerspiesse nicht herunterkugeln … Aber auch einen Döner-Schock-Froster galt es zu erfinden. Es stellte sich die Frage, wie man einen herkömmlichen Brot-Froster so umbauen kann, dass er auch bei Fleisch funktioniert. In solchen Fällen sind wir mehr Daniel Düsentrieb als ein europaweit tätiges Planungs- und Realisierungsunternehmen. 

Gibt es einen gemeinsamen Nenner für alle Projekte?
Ja. Wir beginnen bei den Logistikprozessen und bauen nach- her die Hülle darum – immer nach dem Prinzip: Form follows Function. Es geht also weniger um den klassischen Bau, sondern um die Kernaufgaben der Logistik, und diese sind bei jedem Kunden individuell. Mit diesen Prinzipien im Hinterkopf bauen wir alle Gebäude samt Anlagen. Eigens dafür haben wir bei W+P ein Logistiker-Team mit breitem Fach und Branchenwissen geschaffen.

 

  

Wie wichtig ist dabei den Bauherren die Nachhaltigkeit bei Ausführung, Materialien und Energie? Fotovoltaik und Wärmepumpen gehören zum Standard, nehme ich an?
Selbstredend. Und die Bauherren gehen diese Extrameile in vielen Fällen freiwillig. Nehmen wir als Beispiel den Wigoltingen Innovation Park, den wir für die Stoneweg SA realisieren dürfen. Für die Planungs- und Bauphase ist es der Bauherrin wichtig, dass in der Region Thurgau ansässige Unternehmen berücksichtigt werden. Man wird Fotovoltaikanlagen installieren, die Abwärme aus Kälteanlagen nutzen und nachhaltige Materialien verbauen. Der WIP soll sich auch in Bezug auf Emissionen aller Art in das landschaftlich bedeutende Gebiet südlich des Thurgauer Seerückens optimal einfügen. Dieses Beispiel zeigt, dass Nachhaltigkeit gerade bei solchen Generationen-Projekten ganz wichtig ist.

Wie ist der aktuelle Stand bei diesem Grossprojekt?
Der Wigoltingen Innovation Park ist auf einem bestehenden Industrieareal geplant. In den Wintermonaten wurde hinter den Kulissen des WIP und auf Gemeindeebene fleissig gearbeitet. Die Vision Hasli wurde von den Gemeinden Müllheim und Wigoltingen übergreifend entwickelt. Sie gibt für das gesamte Gebiet Hasli eine Planungsperspektive – und damit auch für den WIP, der auf diesem Areal gebaut werden soll. Im Zentrum der aktuellen Arbeiten bei der W+P steht die Ortsplanungsrevision der Gemeinde Wigoltingen, parallel dazu läuft die weitere Ausarbeitung des Bauprojektes, inkl. Gestaltungsplan und Umweltverträglichkeitsprüfung. Ein solches Projekt entwickeln wir gemeinsam mit Kanton, Gemeinden und Bevölkerung. Ansonsten wäre es von Beginn weg zum Scheitern verurteilt.

Wie sieht es bei der Ästhetik von solchen Bauten aus, muss es einfach günstig sein oder darf das Aussehen auch mal etwas kosten?
Der Fokus im Industrie- resp. Logistikbau liegt auf der Funktion. Dennoch müssen sich durch gesetzliche Vorgaben auch grosse Bauten optimal ins Landschaftsbild einbetten. «Schön» ist ein subjektiver Begriff. Ich kann aber an einem Beispiel erklären, was ich darunter verstehe: Bei vielen Grossbauten geht es um das Regelmässige, Repetitive – zum Beispiel bei Stützrastern. Ein Laie nimmt das nicht bewusst wahr, spürt aber störende Wiederholungen instinktiv. Dies zu vermeiden, verstehen wir unter Ästhetik, und der Laie findet es «schön».

 

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Wohin zielt heute der Trend im Industrie- und Logistikbau?
In kaum einem anderen Feld wird mehr Wert auf Prozesse, Zuverlässigkeit und neuen Technologien gelegt. Wir können noch so gut planen und umsetzen, aber funktionierende Prozesse sind die oberste Maxime. Denn ohne Prozesse und Kommunikation keine funktionierende Logistik und damit auch keine Wirtschaftlichkeit des neuen Betriebes. Das gilt für Mensch, Material und Technologie.

Mit der Eenfinity Schweiz AG sind Sie in einem Unternehmen investiert, das «moderne Energielösungen für MFH und Gewerbe» baut und finanziert. Heisst das, man least als Auftraggeber eine Fotovoltaikanlage auf dem eigenen Dach oder eine Wärmepumpe auf dem eigenen Gelände?
Das Prinzip ist einfach: Sie stellen Ihr Dach, Ihre Fassade oder eine Freifläche zur Verfügung. Wir nutzen diese, um moderne Energielösungen wie Fotovoltaikanlagen oder Stromspeicher zu realisieren. So profitieren Sie von einer nachhaltigen und kostengünstigen Energieversorgung. Den erzeugten Solarstrom nutzen Sie in erster Linie für den Eigenverbrauch. Strom, der darüber hinaus produziert wird, kann gespeichert oder ins Energienetz eingespiesen werden. 

Wo sind Sie sonst noch investiert?
Wir haben uns beispielsweise am Thurgauer Robotikunternehmen Kemaro AG beteiligt. Wir sehen viele Synergien zwischen seinem Reinigungsroboter für die Industrie und unseren Logistikbauten. Ausserdem ist es ein Vorzeige-Startup mit drei smarten regionalen Gründern. Solche Investments suchen wird. «Aus der Region, für die Region» – leider ist dieser Claim bereits anderweitig belegt (lacht). Er trifft den Kern unserer Beteiligungsstrategie aber perfekt.

 

Zu Ihrem zweiten Betätigungsfeld: Mit dem FC Wil waren Sie 2022/2023 zum ersten Mal überhaupt Wintermeister. Träumen Sie schon vom Aufstieg in die Super League?
Träumen ist immer erlaubt, doch der Weg ist noch weit und es stehen einige ganze heisse Spiele an. Das Schöne ist: Im Gegensatz zu den allermeisten Mannschaften der Challenge League wurde beim FC Wil 1900 der Aufstieg nie als Saisonziel formuliert. Sprich: Wenn wir aufsteigen sollten, dann ist die Freude natürlich riesig. Wenn nicht, werden wir ab Sommer weiterhin in der Challenge League attraktiven Fussball zeigen. Nach der Ära der türkischen Investoren mussten wir in den vergangenen fünf Jahren stark an der Marke FC Wil 1900 arbeiten. Darum ist die Freude über neue Sponsoren, Club2000-Mitglieder oder Fans genauso gross wie über den sportlichen Erfolg.

Apropos Erfolg: Was ist das Erfolgsgeheimnis des FC Wil?
Kennen Sie den Fussballroman «Elf Freunde müsst ihr sein»? Das ist Wiler Alltag auf und neben dem Platz. Als ich nach der türkischen Ära das VR-Präsidium des FC Wil 1900 übernommen hatte, wurde ein wegweisender strategischer Entscheid gefällt, an dem wir uns bis heute orientieren: Alles, was wir im Verein machen, muss aus der Region stemmbar sein. Mit regionalen Sponsoren, zahlbaren jungen Spielern mit Schweizer Nachwuchsbezug, mit regionalem Staff und einheimischer Geschäftsführung. Heute ist die Strategie erfolgreich umgesetzt. Wir können in Ruhe arbeiten, haben alle Altlasten beseitigt und blicken in eine erfolgreiche Zukunft. Fehler wurden in der Vergangenheit gemacht – da nehme ich mich nicht aus. Schritt für Schritt gewinnen wir aber das Ansehen in der Region zurück. 

Sie sind nicht nur zeitlich, sondern auch finanziell engagiert. Warum haben Sie im Sommer 2022 das Hauptsponsoring übernommen?
Diesen Entscheid habe ich unserer Geschäftsleitung überlassen. Seit Längerem haben wir uns von der W+P gefragt, in welchem strategischen Feld wir uns engagieren können. Und wir hatten einige Projekte auf dem Tisch. Die Philosophie der W+P heisst: «Wir suchen Talente –  um sie zu inspirieren, zu fördern und zu fordern. Auf ihrem Weg zu ihrem Traumberuf und einem erfüllten Leben.» Diese Philosophie ist identisch mit dem FC Wil 1900, dem Ausbildungsverein Nummer 1 in der Schweiz. Darum lag das Sponsoring auf der Hand.

 

  

Ende Februar fuhren im Wiler Stadion Lidl Schweiz Arena die Bagger auf; die neue Gegentribüne kann endlich gebaut werden. Ein Grund zur Freude, nehme ich an?
Klar doch. Wir haben so viele Jahre auf eine neue Gegentribüne gewartet. Dass es nun losgeht, erfüllt uns alle mit Stolz und Freude. Unser schmuckes Stadion wird um eine praktische Attraktion reicher. Für den FC Wil 1900 und auch andere Nutzer – unter anderem die American Footballer Helvetic Guards.

Bauen Sie die Gegentribüne gleich selbst?
Leider haben wir den Zuschlag von der Stadt Wil nicht erhalten … Im Ernst, wir haben uns gar nicht darum beworben. Auch wenn intern mittlerweile bekannt ist, dass der Bau eines Fussballstadions zu meinen persönlichen Träumen zählt.

Text: Stephan Ziegler

Bild: Marlies Thurnheer

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