«Live wird zum neuen Premium»

Die Corona Pandemie hatte und hat grosse Auswirkungen aufs Messegeschäft. «Die Olma Messen St.Gallen waren vor der Pandemie ein gesundes Unternehmen», erklärt Messeleiterin Katrin Meyerhans. Nach zwei Jahren, in denen sie ihrem Kerngeschäft nicht oder nur stark eingeschränkt nachkommen konnten, sei die finanzielle Situation heute angespannt. Insbesondere die Planungssicherheit fehlte – essenziell im Messegeschäft, das Vorlauf braucht.
Aktuell geht Meyerhans davon aus, dass die OLMA ohne Einschränkungen geplant werden kann. Die Buchungsstände für die Messen im Herbst seien erfreulich. Auch auf die OFFA wirkten sich die bundesrätlichen Lockerungen Mitte Februar positiv aus: «Noch zwei Monate vor der Messe konnten wir zahlreiche Standplätze verkaufen.» Meyerhans sieht Potenzial für Fachmessen zu verschiedenen Themen. Hybride Formate sieht sie für Veranstaltungen, die stark auf Wissensvermittlung ausgerichtet sind und wo die Teilnehmer von weit herkommen. «Messen leben aber nach wie vor von der Begegnung vor Ort.»
CongressEvents baut aus
«Digitale oder hybride Formate waren während der Pandemie ein wichtiges Thema», hält Ralph Engel, Leiter Bereich CongressEvents bei den Olma Messen St.Gallen, fest. Mehrere Umsetzungen hätten gezeigt, dass sie die technischen Potenziale zu nutzen wüssten; Teile davon würden bleiben. «Bei unseren regionalen Content-Partnern sehen wir die Bereitschaft, nachhaltig in neue Formate zu investieren», so Engel. Die Olma Messen St.Gallen verfolgten eine ambitionierte Strategie, die unter anderem neue Engagements als Co-Veranstalter beinhalte und bei der die hauseigene Event-Agentur Volt als Full-Service-Partner über das Olma Gelände hinaus etabliert werden soll. «Mit der neuen Halle 1 steigen wir zudem in eine neue Grössenordnung bei Corporate-, Kultur- und Sportevents auf.»
Rückkehr zur Normalität bei Messen Weinfelden
Die Messen Weinfelden, deren Team unter anderem die drittgrösste Ostschweizer Publikumsmesse Wega organisiert, musste 2020/2021 zwölf Veranstaltungen absagen – damit fiel auch ein Grossteil der Einnahmen weg. Die «inhaus» und «die50plus» mussten 2020 gar knapp zwei Stunden vor Messebeginn abgesagt werden. Auch dieses Jahr konnten die beiden Messen nicht durchgeführt werden, die Wein- und Genussmesse «Schlaraffia» hingegen wieder fast ohne Einschränkungen. «Wir gehen davon aus, dass Veranstaltungen bis und mit Herbst wieder stattfinden», sagt Gregor Wegmüller, Geschäftsführer der Messen Weinfelden. Auch die Messen Weinfelden gingen bei den Konzepten neue Wege: Vor einem Jahr wurde die Schlaraffia rein virtuell durchgeführt und eine Freiluft-Gartenveranstaltung realisiert. «Bei Fachveranstaltungen sehe ich gute Chancen für hybride Formate, gerade bei internationalem Teilnehmerfeld», sagt Wegmüller und bestätigt damit die Aussagen von Katrin Meyerhans und Ralph Engel. «Die Erfahrung zeigt aber, dass regionale Publikumsanlässe in digitaler Form nicht genug spannend sind.»
Zuversicht bei Galledia Event AG
Bei der Rheintaler Galledia Event AG sind die Teilnehmerzahlen an allen Veranstaltungen während der Corona-Pandemie um mindestens einen Drittel eingebrochen. Grösste Herausforderung war auch hier die Unplanbarkeit: «Wir hatten teilweise vier bis fünf verschiedene Corona-Sicherheits-Konzepte», sagt Julia Frischknecht vom Galledia-Event-Management. So war das Rheintaler Wirtschaftsforum 2021 eine reine digitale Veranstaltung – dieses Jahr soll es am 2. Juni im gewohnten Rahmen stattfinden, danach wieder im Januar. Beim Wirtschaftsforum Thurgau fand nur die Jubiläumsausgabe im November 2021 «normal» statt. Frischknecht ist wie die Messeveranstalter optimistisch, dass «man sich wieder physisch treffen und vom Networking vor Ort profitieren möchte». Gleichzeitig betont sie: «Wir rechnen, dass es ein bis zwei Jahre dauern wird, bis wir wieder die gleichen Teilnehmerzahler haben wie vor der Pandemie.» Auch dürften vermehrt hybride Events angeboten werden. «Corona hat einen qualitativen Strukturwandel des Events-Marktes, der schon vor einiger Zeit eingesetzt hat, massiv beschleunigt», so Frischknecht. Die digitale Transformation und der «Megatrend» Nachhaltigkeit würden neue Event-Konzepte und -Akteure hervorbringen. «Es wird tüchtig in Technik für hybride oder digitale Formate investiert.»
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Terminglück bei Alea Iacta
Die St.Galler Agentur Alea Iacta hatte während der Corona-Pandemie mehrheitlich Terminglück, da ihre Veranstaltungen entweder in den «Corona-Fenstern» terminiert waren oder in diese verschoben werden konnten. Einzig der Schweizer KMU-Tag 2020 musste kurzfristig um ein Jahr verschoben werden. Die Agentur spürte wie alle anderen Veranstalter die Unsicherheit infolge der ständig wechselnden Behördenangaben. «Auch regelmässig Teilnehmende waren unsicher und meldeten sich nicht an oder erschienen trotz Anmeldung nicht», sagt Alea-Iacta-Inhaber Roger Tinner. Auch Tinner stellt nach wie vor eine gewisse Zurückhaltung bei der Teilnahme an Events fest, deshalb hätten sie die eine oder andere Veranstaltung, z. B. «Paul:a kommt auch» vom Frühling in den Spätsommer geschoben. In der Regel wolle man die Konzepte wieder auf die Live-Veranstaltung vor Ort konzentrieren. Denn: «Ich bin skeptisch in Bezug auf Hybrid-Events, weil es kaum Interaktion zwischen anwesenden und virtuell teilnehmenden Gästen gibt.» Rein virtuelle Formate sind aus Tinners Sicht ideal für Meetings mit Standard-Traktanden und Teilnehmern, die sich schon kennen – und für grosse internationale Konferenzen.
Hybrid oder online bei der OST und der Fussballnacht
Für Marion Pester, Standortleiterin St.Gallen der OST, haben die Pandemie-Jahre gezeigt, dass digital vieles möglich ist. «Einige der erprobten Tools werden mit Sicherheit auch künftig genutzt», ist sie überzeugt. In den letzten beiden Jahren fanden die Veranstaltungen nicht nur in Präsenz oder online statt, sondern auch hybrid – so etwa der WTT Young Leader Award. Veranstaltungskonzepte, die alle Formate optimal kombinieren, bleiben allerdings eine grosse Herausforderung. Nebst den Möglichkeiten seien die Grenzen ausschliesslich digitaler Veranstaltungen sichtbar geworden: «Vernetzung lebt auch von den persönlichen Begegnungen im dreidimensionalen Raum», geht Pester mit Roger Tinner und den Messeveranstaltern einig. Auch die Alumni OST, das Netzwerk der früheren FHS St.Gallen, stellte während der Akut-Phase der Pandemie viele Formate auf digital um. «Insgesamt gingen die Teilnehmerzahlen um rund 30 Prozent zurück», sagt Michael Federer, Leiter Alumni Services OST. Wermutstropfen war, dass der grösste öffentliche Anlass, der «Networking-Tag», 2020 digital durchgeführt wurde. Aktuell stehen Live-Veranstaltungen im Fokus: «Das Bedürfnis unserer Mitglieder nach persönlichen Begegnungen ist wieder gestiegen.» Einige Formate, die sich bewährt hätten, würden digital weitergeführt. Federer schätzt denn auch, dass digitale und insbesondere hybride Formate viel stärker als früher in den Fokus rücken werden. «Sollte die Technologie mit Virtual Reality nochmals einen Sprung machen, sind neue digitale Formate denkbar und haben eine grosse Zukunft.» Auch die Nacht des Ostschweizer Fussballs konnte 2020 nicht physisch durchgeführt werden, 2021 fand sie virtuell statt. «Für uns war wichtig, dass wir die Marke in positiver Erinnerung behalten konnten – auch bei Sponsoren und Partnern», sagt OK-Präsident Martin Schönenberger. Die 10. Fussballnacht soll Ende Oktober in altbekannter Manier über die Bühne gehen. «Wir leben bei unserer Veranstaltung vom persönlichen Kontakt aller Teilnehmer», betont Schönenberger.
Live-Events für Skunk, ESB und IHK im Vordergrund
Bei der liechtensteinischen Eventagentur Skunk AG konnten alle Anlässe, darunter die Finance-Foren, der Unternehmertag und der Businesstag für Frauen, am Verschiebedatum live durchgeführt werden. Auch heuer sollen alle physischen Veranstaltungen wieder im gewohnten Rahmen stattfinden. Die letzten beiden Jahre profitierten die Gäste zusätzlich von der von Skunk entwickelten virtuellen Eventplattform «Eventeo» und konnten unter anderem ganze Programme und Inhalte im Nachgang nachschauen. «Solche zusätzlichen Leistungen wollen wir auch in diesem Jahr als Mehrwert anbieten», so Markus Goop, Inhaber der Skunk AG. Goop ist überzeugt, dass hybride oder virtuelle Anlässe weiterhin an Bedeutung gewinnen. Allerdings seien die Anforderungen gestiegen: «Für eine erfolgreiche Durchführung sollten Veranstalter auf eine virtuelle Eventplattform mit individuellen Möglichkeiten setzen.» Aktuell stellt Goop aber einen grossen Nachholbedarf bei den Firmen für Live-Events fest.
«Es wird tüchtig in Technik für hybride oder digitale Formate investiert.»
Auch für die St.Galler ESB Marketing Netzwerk AG gewinnt digital weiter an Bedeutung. Inzwischen sei für 0815-Veranstaltungen die Digitalversion der neue Standard, hält Geschäftsführer Hans-Willy Brockes fest. Für ihn ist klar: «Live wird zum neuen Premium – und wir wollen dem auch gerecht werden.» Für die Kongresse «360°ENTERTAINMENT» und «Schweizer Markenkongress» scheine das Timing perfekt: «Wir sind noch vor der grossen ‹Herbstwelle›, wohin viele andere Kongresse geschoben wurden.» Dies sieht Alessandro Sgro, Chefökonom der IHK St.Gallen-Appenzell ähnlich: Gab es in den letzten zwei Jahren von Beschränkung der Teilnehmerzahlen bis zu Absagen alle Varianten, stehen bei der IHK St.Gallen-Appenzell nun wieder Live-Events im Vordergrund – so die Grossanlässe EcoOst St.Gallen Symposium und die Jubiläums-Generalversammlung. «Uns ist es wichtig, dass sich unsere Mitglieder wieder vor Ort austauschen können», so Sgro. Bei künftigen Event-Formaten sieht Sgro «sowohl als auch» und nicht «entweder oder». Inhalt und Ziel entscheiden über das jeweilige Format.
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Aufholjagd im Appenzellerland
Für das Hotel Hof Weissbad waren die letzten zwei Jahre in Bezug auf Seminare sehr ernüchternd: 90 Prozent wurden annulliert. «Im Moment zieht es wieder an – speziell die Seminare mit zehn oder zwanzig Personen», freut sich Gastgeber Christian Lienhard. Er ist überzeugt, dass solch kleinere Seminare weiterhin zunehmen werden. Dabei entscheide nicht der Preis, sondern die Qualität, die Infrastruktur und die Landschaft. Im Herbst startet das Hotel Hof Weissbad denn auch mit dem Bau eines neuen Seminar-Parks mit zwei Seminarräumen und zwei Gruppenräumen.
«Inhalt und Ziel entscheiden über das jeweilige Format.»
Auch die Säntis-Schwebebahn AG erlebte zwar zeitweise eine Absagewelle für Seminare und Veranstaltungen auf dem Säntis oder der Schwägalp: «Bei positiven Signalen seitens der Behörden hat die Nachfrage aber jeweils unmittelbar angezogen», sagt Geschäftsführer Martin Sturzenegger. Und da sie über grosse Flächen an Seminarräumen verfügten, waren Veranstaltungen meist auch während der Pandemie mit mehr Platz und Abstand möglich. Auch hier sind die Buchungszahlen noch nicht ganz auf dem Stand vor der Pandemie. Die Zunahme der Anfragen sei aber signifikant spürbar. «Nun gilt es, die fehlenden Gruppenreservationen aufzuholen und möglichst viele Anfragen umzusetzen», hält Sturzenegger fest.
Ittingen und Lilienberg mit blauem Auge
Die Kartause Ittingen kam ebenfalls mit einem blauen Auge davon und konnte dank des breiten Angebots bei den Individualgästen in beiden Corona-Sommern zulegen. «So kompensierten die vielen Schweizer Gäste einen grossen Teil des weggefallenen Seminargeschäfts», erklärt Hoteldirektor Valentin Bot. Bei den Unternehmen hatten vor allem die zwischenmenschlichen Beziehungen gelitten – hier spürt Bot aktuell einen Nachholbedarf. «Wir sehen eine starke Zunahme bei der Anfrage von Seminaren, Workshops, Schulungen und Retraiten, die diese Lücke wieder schliessen möchten.» Dies bestätigt das Seminar- und Tagungszentrum Lilienberg über dem Untersee. In den Sommermonaten 2021 profitierte der Lilienberg wie die Kartause Ittingen von einer hohen Auslastung durch vorwiegend Schweizer Individualgäste. «Auch eine Vielzahl kleinere Präsenzseminare konnten durchgeführt werden», sagt Hoteldirektorin Susanne Grüner. Die Nachfrage nach Seminaren und Veranstaltungen habe jetzt deutlich zugenommen. «In- und ausländische Unternehmen holen ihre längst geplanten Veranstaltungen nach.» Nebst kleineren Treffen bis 15 Personen seien vermehrt auch Jahreskonferenzen, Vorträge und Kundenanlässe bis 180 Personen in Planung.
Zeit der Gegensätze in Rorschach und Arbon
Das Würth Haus Rorschach erlebte in den letzten zwei Jahren ein Wechselbad der Gefühle. Auf ein fast veranstaltungsloses erstes halbes Jahr 2021 folgten die ereignisreichste Phase und der beste Herbst aller Zeiten. Danach gab es eine erneute Absagewelle bis Februar 2022. Aktuell gebe es eine erfreuliche Zunahme der Anfragen. «Wir gehen aber davon aus, dass die Buchungen wieder vermehrt kurzfristig reinkommen», erklärt Jürg Putzi, Head of Events, Würth Haus Rorschach. Gerade im «heissen Herbst 2021» habe das Team bewiesen, dass es Grossanlässe mit 400 bis 500 Personen mit einer Vorlaufzeit von nur wenigen Tagen oder Wochen umsetzen könne. Auch das Presswerk Arbon spürt einen Nachholbedarf bei Corporate Events wie auch öffentlichen Veranstaltungen. «Bei Kundenveranstaltungen sind es überwiegend interne Mitarbeiterevents, die aktuell sehr hoch im Kurs liegen», sagt Geschäftsführer Lukas Gmür. «Wir blicken positiv in die Zukunft.» Im Gegensatz zu den letzten zwei Jahren, in denen 90 Prozent der Veranstaltungen abgesagt oder nur spärlich besucht waren, hätten Nachfragen und Buchungen seit der Aufhebung der Massnahmen enorm zugenommen.