Wirtschaft

«Die Italianità darf nicht verloren gehen»

«Die Italianità darf nicht verloren gehen»
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Das Locarnese ist fest in Appenzeller Hand: Nachdem sich Brauerei-Unternehmer Karl Locher letztes Jahr an einem der renommiertesten Tessiner Gastrounternehmen beteiligt hat, steigt nun auch Christian Lienhard vom Hof Weissbad mit ins Unternehmen ein. Mit dem LEADER spricht er über seine Beweggründe, Italianità und die Zukunft des Hotels Hof Weissbad.

Christian Lienhard, wenn andere langsam Richtung Rentenalter gehen, schauen sie sich vielleicht nach einem netten Rustico im Tessin um, um dort später die arbeitsfreie Zeit zu geniessen. Sie sind 63 und auch Sie zieht es ins Tessin – allerdings nicht, um die Beine hochzulegen, sondern um als Verwaltungsratspräsident und Partner der Feldpausch Ristoranti SA zu schalten und zu walten. Wie kam es dazu?
Fred Feldpausch (93), einer der wohl grössten Schweizer Gastronomen, hat nach 60 Jahren aktiver Tätigkeit die Zukunft seiner Restaurants Broggini in Losone, Sensi in Locarno und Pizzeria Nostrana in Ascona sichern wollen. Unabhängig davon habe ich mich im letzten Sommer bereits entschieden, nach 28 Jahren Hof Weissbad die operative Direktion abzugeben. Das Tessin kenne ich noch aus früheren Zeiten: Als Projektleiter habe ich 1985 das Hotel Giardino miteröffnet und dann fünf Jahre als Vize-Direktor mitentwickelt. So war es fast naheliegend, dass man mich angefragt hat. 

Die Feldpausch Ristoranti SA gehört zu den renommiertesten Gastrounternehmen im Tessin mit gut laufenden Lokalen in Ascona, Losone und Locarno. Was haben Sie mit dem Unternehmen vor?
Sicher werden die Restaurants weiterhin so geführt wie bis anhin. Die Führungs-Crew mit den beiden CEOs Trudy Käser und Hanspeter Jakob ist seit Jahren ein eingespieltes Team. Fred Feldpausch ist weiterhin Teil des Verwaltungsrates und steht uns mit seinem Erfahrungsschatz und seinem Netzwerk weiterhin zur Seite. Die Betriebe laufen sehr gut und die einzelnen Konzepte stimmen. Was neu dazu gekommen ist, ist ein kleines Hotel – das Hotel Mulino in Ascona. Da sind wir mitten in der Konzept-Entwicklung. Ende Oktober – nach der Sommersaison – werden wir das Hotel umbauen und im April 2023 mit einem neuen und frischen Touch wieder eröffnen und ins Unternehmen integrieren.

Wer im Feldpausch-Ristorante Sensi in Locarno ein Bier bestellt, bekommt heute automatisch ein Appenzeller Bier. Wieviel Appenzell wird künftig mit Ihnen noch in die Feldpausch Ristoranti einfliessen?
Immer dort, wo das Produkt im Tessin selber sehr gut ist, müssen wir nichts «importieren». Die Italianità darf auf keinen Fall verloren gehen! Das Tessin hat an eigenen Produkten sehr viel zu bieten. Wir werden verstärkt auch ein Augenmerk auf innovative vegetarische und vegane Küche richten. Kürzlich haben wir eine Lasagne probiert, die statt Fleisch aus einem Produkt mit Biertreber, einem Nebenprodukt der Bierproduktion, gemacht wurde. Wir haben nicht einmal einen Unterschied gemerkt. So macht es sicher Sinn. Auch Single Malt aus Appenzell, der in gebrauchten Weinfässern von Top-Winzern aus dem Tessin reift, hat Platz auf der Karte.

 

  

«Wo das Produkt im Tessin gut ist, müssen wir nichts ‹importieren›.»

Trotz Ihres Engagements im Tessin bleiben Sie dem Hof Weissbad weiterhin erhalten. Neu kümmern Sie sich als
Co-CEO in einem 50-Prozent-Pensum und als Verwaltungsrat um die strategische Zukunft des Hotels. Wo steht das Unternehmen heute?
Die zwei Jahre Pandemie waren eine grosse Herausforderung für das gesamte Hof-Weissbad-Team. Auch wenn täglich etwas geändert hat, haben wir diese Zeit als Ganzes gut überstanden. Mit dem grossen Umbau, dem neuen Wellnessbau sowie dem neuen Seminargebäude werden wir ab dem 16. August die Weichen für die Zukunft stellen können.

Das heisst konkret?
Nach 28 Jahren braucht es eine Verjüngung der Gästesegmente, neue Konzepte im sich ständige wandelnden Gesundheitsmarkt, innovative Angebote für die Gäste 40+, eine neue Ausrichtung im Bereich Ernährung etc. Gleichzeitig muss der Fokus aber weiterhin auf unsere Stammgäste ausgerichtet sein. Sie machen heute noch über 70 Prozent der Logiernächte aus.

Neu ist auch das Führungsteam im Hof Weissbad.
Genau. Die neue Struktur gibt den bestehenden Bereichsleitern die Möglichkeit, erstmals in einer Dreier-Direktion den Hof Weissbad zu führen. Roberto Wittwer, seit 20 Jahren im Hof, übernimmt die Direktion Hotel, Christian Huber, seit 15 Jahren im Hof, übernimmt die Direktion Restaurants, und Andrea Eigenmann, die im Januar zu uns gestossen ist, ist mit ihrer Qualifikation bestens für die Direktion Gesundheit geeignet. 

 

Gastgeberin bleibt mit Ihrer Frau Damaris Lienhard aber ein vertrautes Gesicht.
Ja. Sie sichert die jahrelange DNA, kennt und liebt die Gästebetreuung, unterstützt das Marketing und amtet mit ihrer Ausbildung, wenn nötig auch im Bereich Mitarbeiter-Coaching. Die Gäste treffen somit auf ein verjüngtes, topmotiviertes und eingespieltes Führungsteam.

Wie geht es Ihnen mit dem Wissen, dass Sie nun im Hof Weissbad nicht mehr jeden Tag an vorderster Front mit dabei sind?
Ich bin vor 48 Jahren in meine Berufslehre als Koch gestartet. In dieser Zeit habe ich sicher 20 Mal den Wohnort gewechselt und musste mich jeweils wieder neu orientieren. Das ist in diesem Beruf fast normal. Ich habe mich aber immer gut lösen können und schaue auch gerne auf die schöne Zeit zurück. Auch hier wird es nicht anders sein – ausser, dass ich Weissbad auf keinen Fall als Wohnort aufgeben werde. Es ist zu schön hier!

Es gibt jetzt also einiges zu tun für Sie, sowohl im Tessin als auch im Appenzellerland. Werden Sie von nun an zwischen Ascona und Weissbad pendeln?
Das hat sich noch nicht wirklich eingespielt. Die Übergabe hier im operativen Bereich läuft noch. Gleichzeitig sind die ersten Projekte im Tessin angeschoben worden. Und nicht zuletzt habe ich als Verwaltungsrat der Bodensee-Schifffahrt AG noch eine spannende Aufgabe mit der Entwicklung eines Hotels direkt im Hafen von Romanshorn. Die Arbeit wird mir also nicht ausgehen. Es sind aber alles spannende Aufgaben, die nun mehrheitlich hinter den Kulissen stattfinden.

Text: Patrick Stämpfli

Bild: Marlies Thurnheer

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