«Es wurden immer Lösungen gefunden»

«Es wurden immer Lösungen gefunden»
Lynn Burkhard und Beat Müller führen gemeinsam die Geschäfte der Stutz AG.
Lesezeit: 6 Minuten

Die Baubranche boomt nach wie vor, doch bei vielen Baumaterialien kommt es zu Lieferengpässen. Für Lynn Burkhard und Beat Müller, die beiden Co Geschäftsführer des in der ganzen Ostschweiz tätigen Baugeschäfts Stutz AG aus Hefenhofen, bedeutet das vor allem eines: Die Kosten gehen steil nach oben.

Die Baubranche erlebt seit Jahren einen Höhenflug – wird der Boom nun gebremst, weil die Pandemie auf der ganzen Welt Lieferketten durcheinanderbrachte? Lynn Burkhard: Zumindest wird alles komplizierter und teurer. Der Bereich Innenausbau ist nach unserer Beobachtung dabei noch stärker betroffen als der Rohbau, in dem wir hauptsächlich tätig sind.

Der Innenausbau betrifft Sie aber auch?
LB: Hoch- und Tiefbau im Rohbau ist eigentlich unser Hauptgeschäft. Dazu haben wir aber auch eine Generalunternehmung, die rund zehn Prozent des Umsatzes ausmacht. Dieser Bereich ist auch mit dem Innenausbau eng verbunden.

Und da ist die Situation noch schwieriger?
Beat Müller: Im Innenausbau sind es unter anderem Kunststoffmaterialien, welche sehr lange Lieferfristen haben, Fenster zum Beispiel. In diesem Bereich ist es noch schwieriger Preise und Termine im Griff zu haben.

Die Materialien werden teurer.
BM: Im Innenausbau sehen wir Preissteigerungen von 25 bis 50 Prozent.

Können Sie diese Preissteigerung weitergeben?
BM: Bei Projekten, die wir als Generalunternehmer realisieren: Nein. Hier spüren wir die Verwerfungen eins zu eins, die Mehrkosten können wir nicht weitergeben, weil wir ja selbst der Bauherr sind. LB: In diesem Bereich ist wirklich alles betroffen. Es kann vorkommen, dass das Parkett nicht pünktlich geliefert wird oder sanitäre Anlagen verspätet kommen. Deshalb kann dann eine Wohnung nicht übergeben werden kann. Bis anhin konnten aber dank einer guten Planung alle Termine auch bei Generalunternehmung eingehalten werden.

Wieso wechseln Sie dann nicht den Lieferanten oder setzen ein anderes Produkt ein?
BM: Es ist schwierig, zu diesem Zeitpunkt noch umzuschwenken. Oft hat man die Produkte mit den Eigentümern längst festgelegt, oder die Planung beruht auf dem Zusammenspiel ganz bestimmter Artikel. Anders sieht es bei Baumaterialien aus, die man später gar nicht sieht. Hier ist es einfacher, etwas auszuwechseln.

  

Sind jene Baumaterialien, die lieferbar sind, grundsätzlich teurer?
LB: Die meisten haben eine Teuerung erfahren. Wobei es sehr grosse Unterschiede gibt. Ein bekanntes Beispiel ist das Holz, das wir unter anderem für Schalungen benötigen.

Brauchen Sie denn immer neue Schaltafeln?
LB: Nach ein paar Einsätzen müssen wir Schaltafeln ersetzen, das ist Verbrauchsmaterial. Wir haben einen Jahresvertrag mit unserem Lieferanten, er bringt in bestimmten Abständen immer wieder neue Schaltafeln.

Haben Sie mehr bestellt oder ein Lager angelegt?
BM: Bei den meisten Materialien hat man in der Baubranche keine Lager, es wird stets alles just in time, erst dann, wenn man es braucht, direkt zur Baustelle geliefert, weil man dort wenig Platz hat. Das Holz ist dabei eine Ausnahme. Dieses wird vom Lieferanten zuerst in den Werkhof geliefert, bevor es auf die Baustelle geht. Um kurzfristige Spitzen abzudecken, haben wir während einer kurzen Zeit das Lager tatsächlich leicht vergrössert.

Wenn Schaltafeln fürs Betonieren einige Tage später kommen, bringt das den Fahrplan durcheinander.
LB: Ja, genau. Allfällige Lieferverzögerungen versuchen wir darum mit dem Holzlager im Werkhof abzufedern.

Sie verbauen aber auch Holz.
BM: Grundsätzlich verwenden wir vor allem sogenanntes Bauholz als Verbrauchsmaterial. Nebst Schaltafeln sind dies Kanthölzer, Schallbretter und Dielen. Der konstruktive Holzbau hingegen stellt bei uns nur einen sehr kleinen Bereich dar. Nach unseren Beobachtungen war die konstruktive Holzbaubranche viel stärker von Lieferproblemen und Preiserhöhungen betroffen als es beim Bauholz der Fall war. Nichtsdestotrotz kam es auch beim Bauholz je nach Produkt zu einer Teuerung von 25 bis 50 Prozenten.

Hatten Sie dadurch Verspätungen?
BM: Keine, welche sich direkt negativ auf die Baustelle auswirkten. Es war oft knapp mit den Terminen, aber es ging immer gerade so auf – wir mussten nie Termine verschieben.

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Wo kommt das Holz, das Sie benötigen, her?
LB: Ein Teil kommt aus der Schweiz, die Schaltafeln zum Beispiel. Ein Teil kommt auch aus Polen oder Slowenien.

Wieso gibt es überhaupt einen Mangel an Holz?
BM: Das liegt wohl daran, dass Werke Betriebsunterbrüche machen mussten und nicht wie gewohnt produzieren konnten. Nun können sie die hohe Nachfrage, welche auch stark durch China und die USA beeinflusst wird, kaum bedienen.
LB: Es ist zudem denkbar, dass gewisse Hersteller ihre Produkte bewusst verknappten, ihre Lager füllten und warteten, dass die Preise noch mehr anziehen.
BM: Diese Entwicklung hat uns weniger stark getroffen als andere Baufirmen, weil wir vergleichsweise wenig Konstruktionsholz brauchen.
LB: Wir konnten sicher auch davon profitieren, dass wir langjährige Beziehungen zu unseren Lieferanten haben und auch ein guter Kunde sind. Wir hatten häufig Vorrang; wenn ein Lieferant einen grossen Posten hereinbekam, wurden wir gefragt «braucht ihr etwas?». So gesehen waren wir in einer etwas privilegierten Position.

Haben demnach Lieferanten strategisch gedacht und sich gesagt, mit einem grossen Baugeschäft wie Stutz will ich es mir nicht verderben? Darum die Vorzugsbehandlung?
LB: Vielleicht. Entscheidender waren aber wohl die persönlichen Beziehungen, die über viele Jahre gepflegt wurden. Und das kann auch ein kleineres Geschäft. Der faire Umgang miteinander in guten Zeiten führt dazu, dass es auch in schwierigen Zeiten funktioniert.
BM: Wir haben stets auf qualitativ guten Service geachtet und nicht immer den vermeintlich günstigsten Lieferanten ausgesucht. Wir haben langjährige Beziehungen und vielleicht mal einen Franken mehr für ein Produkt bezahlt, dafür aber auch einen guten Service bekommen.
LB: Auch viele andere Baugeschäfte spürten die Verknappung der Baumaterialien, konnten die Situation aber gut meistern. Ich sah nirgends Baustellen, auf denen kein Betrieb herrschte, daher darf man davon ausgehen, dass immer Lösungen gefunden wurden.

Gilt das für alle Baumaterialien?
BM: Im Hochbau waren insbesondere Dämmungen ein grosses Thema. Es gibt zwar verschiedene Produkte, die Auswahl ist aber nicht endlos. Deshalb kam es zu Situationen, dass Bauherren frühzeitig ein Bauunternehmen beauftragen, die benötigten Dämmungen vorzubestellen, obwohl der Auftrag an sich gar noch nicht vergeben war. Sollte man den Auftrag nicht bekommen, könnte man die Dämmungen dem letztlich berücksichtigten Unternehmer weiterverkaufen.

 

«Der faire Umgang miteinander in guten Zeiten führt dazu, dass es auch in schwierigen funktioniert.»

Lynn Burkhard

Das ist nun tatsächlich eine originelle Lösung: Sie wissen noch nicht, ob Sie ein Gebäude überhaupt bauen dürfen, aber Sie müssen bereits das Dämmmaterial bestellen? Ist so ein Auftrag wenigstens ein Indiz dafür, dass Ihre Offerte tendenziell gut aufgenommen wurde?
LB: Da, wo wir Dämmmaterial vorbestellt hatten, bekamen wir dann tatsächlich auch den Auftrag. Es war wohl kein schlechtes Zeichen.

Sind andere Rohstoffe wie Eisen oder Beton für den Rohbau grundsätzlich verfügbar?
LB: Ja, aber auch hier müssen wir mit längeren Lieferfristen rechnen. Und Preissteigerungen sind ebenfalls ein Thema. BM: Bewehrungsstahl und Trägerstahl erfuhren von Frühjahr bis Sommer 2021 einen Teuerungsschub. Nun liegen die Preise um 50 Prozent höher als zu Beginn des Jahres 2021. Auf diesem hohen Niveau haben sich die Preise mehr oder weniger stabilisiert. Im Frühling 2021 war es sehr anspruchsvoll, einen Preis für die Kalkulation einer Offerte festzulegen.

Müssen Sie in einer Offerte einen Rohmaterialpreis annehmen und dem Bauherrn garantieren? Oder können Sie eine Preissteigerung berücksichtigen?
BM: Das ist unterschiedlich, je nach Auftraggeber und Ausschreibung. Aber klar versuchten wir, die Preissteigerungen abzuwälzen. Es gibt bewährte Teuerungsmodelle, die aber nur teilweise angewendet werden. Aus unserer Sicht ist das ein faires Modell für beide Seiten, es kann ja durchaus mal auch eine negative Teuerung geben, dann käme der Bauherr zum Zug.

Ihre Kosten für den Einkauf gingen nach oben – und bauen wurde durch die Pandemie auch komplexer.
LB: Wir hatten auch einen erheblichen logistischen Zusatzaufwand – mehr Baustellencontainer, da die Anzahl der Personen pro Container halbiert wurde. Daneben setzen wir auch mehr Fahrzeuge für den Personentransport ein. Dann haben wir auch zusätzliche sanitäre Anlagen für Hygienemassnahmen auf den Baustellen installiert. Das sind alles Mehraufwände, die wir nicht weiter verrechnen können – die sich für uns aber dennoch gelohnt haben, weil wir bis anhin nie Fälle hatten, dass sich ganze Baustellenteams angesteckt hätten.

Wenn man Ihre Erfahrungen addiert, muss man schliessen, dass ein Rohbau massiv teurer geworden ist.
BM: Tendenziell ja – vielleicht in der Grössenordnung von zehn Prozent. Ein Teil der Preissteigerung wird zudem nicht an den Kunden weitergegeben.

Dann wird also Ihre Marge kleiner?
BM: Noch kleiner, ja.

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Beat Müller

Am Verhungern war die Baubranche in den letzten Jahren nun auch nicht gerade.
BM: Das Bauvolumen ist sehr hoch und blieb auch in der Coronazeit hoch, da haben wir keinen Grund, uns zu beschweren und können uns gegenüber anderen Branchen sehr glücklich schätzen. Aber die Preise sind auf einem sehr tiefen Niveau, der Markt ist sehr umkämpft.

LB: Das ist ein ökonomisches Phänomen, das wir nicht richtig erklären können.

Versuchen wir es: Die Bauunternehmen lassen sich zu stark drücken. Hat sich die Bereinigung in der Baubranche durch Corona beschleunigt?
BM: Es ist zu früh, um das zu beurteilen. Die Auswirkungen der Pandemie werden sich erst mittelfristig zeigen.

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