St.Gallen

Wenn der Kritiker von «Weltklasse» reden muss

Wenn der Kritiker von «Weltklasse» reden muss
Michael Vogt
Lesezeit: 6 Minuten

Das Gourmet-Restaurant im Einstein St.Gallen bringt Gäste in die Stadt und ins Hotel, die sonst wohl nicht kämen. Und die wiederum den Betrieb der Sterneküche überhaupt rechtfertigen.

Das Einstein in St.Gallen ist im wahrsten Sinn des Wortes ein ausgezeichnetes Haus: In so ziemlich jedem Bereich, in dem das Hotel und Kongresszentrum tätig ist, hat es mindestens einen namhaften Award bekommen (siehe Box). Das Einstein Gourmet, das Feinschmecker-Lokal mit Blick über die Altstadt von St.Gallen, gehört mit 18 Punkten im Gault Millau und zwei Sternen im Guide Michelin zu den Top-Adressen der Ostschweiz.

Ende 2023 hat die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» zusätzlich den Scheinwerfer auf das Einstein Gourmet gerichtet: Neben Auszeichnungen für herausragende Köche und Winzer in Deutschland wurden von der «FAZ» die beiden Einstein-Chefs Sebastian Zier und Richard Schmidtkonz zu den «Köchen des Jahres international» erklärt.

«Die Freiheit im Denken»

«Im Hotel und Restaurant Einstein am Rand der historischen Altstadt von St.Gallen setzt man seit Jahren auf eine Doppelspitze in der Küche des Gourmetrestaurants. Nun hat Chefkoch Sebastian Zier (46) mit Richard Schmidtkonz (30) einen ganz bemerkenswerten Partner gefunden», erfuhren die Leser des deutschen Traditionsblatts: «Es geht hier nicht nur um allergrösste handwerkliche Präzision, sondern vor allem auch um einen bestechend guten, immer klassisch verankerten Geschmack in auch optisch wunderschönen Gerichten. Dazu benötigt man Selbstbewusstsein und Freiheit im Denken und vielleicht auch die Sicht von zwei Köchen auf Kreationen wie 'Pluma Ibérico mit Artischocke, Salzzitrone und Peperoni', bei der man glatt von Weltklasse reden muss.

Auch wenn die beiden Neoklassiker wie 'Lachs mit Sauerampfer, Gurke und Brunnenkresse' angehen, merkt man in jedem Detail ganz deutlich, wie sich hier zwei grosse Köche gegenseitig inspirieren und für eine ganz besondere Qualität sorgen.»

Eine Hymne aus berufenem Kritiker-Gaumen, die vom Einstein natürlich gerne weiterverbreitet wurde. «Das hat zuerst ein beachtliches Medienecho ausgelöst, dann gingen die Buchungszahlen rauf», freut sich Michael Vogt, der General Manager des Einsteins.

Sebastian Zier war schon länger Teil des illustren Doppels in der Gourmet-Küche, heute ist er als Executive Chef Herr über alle Küchen im Einstein, also auch derjenigen des Bistros und des Bankett-Bereichs. Mit Richard Schmidtkonz hat er im Gourmet-Restaurant einen Head Chef an der Seite, mit dem er offensichtlich harmoniert. Die Wahl der «FAZ» betrachten die beiden Chefs als grosse Ehre, «es steckt unglaublich viel Arbeit dahinter, konstant an der Spitze zu sein», erklärt Sebastian Zier, und Richard Schmidtkonz ergänzt: «Wir bedanken uns bei der 'FAZ' für diese Wertschätzung.»

  

«Gourmet-Küche ist ein Luxus, den man zuerst einspart.»

Die Ostschweiz ist zu klein

Trotz vielstimmigem Lob weiss General Manager Michael Vogt, dass es insbesondere in der Ostschweiz eine grosse Herausforderung ist, ein Restaurant auf diesem Niveau zu betreiben. «Das geht in stark frequentierten Städten wie Zürich, Basel oder St.Moritz, in St.Gallen ist es schwierig, den Zulauf von genügend Gästen zu haben, damit ein solches Lokal noch rentabel ist. Das geht allen Sterneköchen in der Ostschweiz ähnlich.»

Doch das Einstein Gourmet gibt es, und das Restaurant soll für sich betrachtet schwarze Zahlen liefern und kein Zuschuss-Betrieb sein. Damit das funktioniert, benötigt das Einstein Gourmet auch externe Gäste, um das Restaurant auszulasten, Gäste aus der restlichen Schweiz und auch aus dem Ausland: Aus Deutschland, wo das Restaurant von «FAZ» gefeiert wurde; und auch aus den USA, von wo gerade viele Gäste in die Ostschweiz reisen. «Für die St.Galler allein wäre das Angebot in der Region zu gross», sagt Michael Vogt.

Qualifizierte Mitarbeiter

Günstig ist der Betrieb einer Sterneküche nicht. «Wir haben sehr hohe Anforderungen an die Produkte und an die Qualität der Zubereitung, gleiches gilt auch für den Service – es braucht sofort ein paar Mitarbeiter mehr, als wenn man nur Schnitzel-Pommes-frites verkauft», erklärt Michael Vogt. Und in Küche und Service braucht es dann nicht irgendwen, sondern qualifizierte Fachleute. Sterneköche verdienen im Einstein nicht mehr als ihre Kollegen in anderen Bereichen, sie haben an den vier Wochentagen, an denen das Gourmet-Restaurant offen ist, aber oft deutlich längere Arbeitstage als ihre Kollegen, die vielleicht neun Stunden arbeiten. Trotzdem stimmt auch für sie die Work-Life-Balance, in der Jahresbetrachtung werden die Überstunden wieder ausgeglichen.

Das Problem des Fachkräftemangels kennt man auch im Einstein, «wir haben die gleichen Schwierigkeiten wie alle», sagt Michael Vogt, der die Branche als Vorstandsmitglied von Gastro St.Gallen, dem Kantonalverband für Hotellerie und Restauration, gut überblickt.

«Vielleicht haben wir es im Einstein etwas einfacher durch das Gourmet-Restaurant, das eben auch ein Anziehungspunkt für Fachleute ist.» Mitarbeiter, die während einiger Zeit im Bistro eine gute Performance zeigen, können sich so für eine Position im Gourmet-Restaurant ins Gespräch bringen. Auch die Auszubildenden absolvieren einen Teil ihrer Ausbildung im Gourmet-Restaurant. Das wissen potenzielle Bewerber, sagt Michael Vogt, «das ist ein Vorteil unseres Hauses.» Mit dem Bistro bietet sich ein niederschwelliger Einstieg für Leute, die Ambitionen haben, aber sich noch die nötigen Qualifikationen holen müssen. Auch für einen Koch ist es reizvoll, in einem Hotel zu arbeiten, das auch ein Gourmet-Restaurant hat, «das bietet Möglichkeiten zur Weiterentwicklung.» Der Chef der Bistro-Küche ist ebenfalls Sebastian Zier, so haben alle Köche mit ihm Kontakt. Gute Leute im Team zu haben, hilft dann auch bei der Rekrutierung wieder, wie Michael Vogt sagt: «Wir finden unsere Leute mehrheitlich über das Netzwerk und über Weiterempfehlungen.»

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Gestiegene Kosten

Neun Personen kümmern sich normalerweise um das Wohl der Gäste im Gourmet-Restaurant, fünf Leute in der Küche und vier im Service. Die Löhne dieser Mitarbeiter sind ebenso wie die Kosten der verarbeiteten Produkte gestiegen, weshalb im Einstein auch die Menupreise angepasst wurden. Die Gäste können das nachvollziehen und sind bereit, diese Preise zu zahlen – allerdings seltener. «Wir leiden unter Konjunkturschwankungen, Gourmet-Küche ist ein Luxus, den man zuerst einspart, das merken alle Sterneköche in der Region», erklärt Michael Vogt. «Früher kamen Gäste einmal im Monat, heute kommen sie noch zwei, drei Mal im Jahr.»

«Wir bringen viele Gäste überhaupt erst nach St.Gallen.»

Restaurant bringt Hotelgäste

Da das Einstein Gourmet auch Gäste nach St.Gallen lockt, die hier übernachten, hilft das Toplokal dem Hotel quasi beim Marketing. «Wir bringen viele Gäste überhaupt erst nach St.Gallen», ist Michael Vogt überzeugt. Er weiss natürlich, dass es kaum messbar ist, welche Wertschöpfung das Gourmet-Restaurant für das Hotel und die Bar, geschweige denn für die ganze Ostschweiz bringt. «Aber die Annahme, dass die Hotel-Auslastung ohne Gourmet-Restaurant tiefer wäre, liegt auf der Hand,» sagt Michael Vogt.

Das Gourmet-Restaurant ist demnach auch ein Faktor für die Gesamtrentabilität; die verschiedenen Komponenten des Betriebs stützen einander. «Die Ausstrahlung des Restaurants für den Gesamtbetrieb ist definitiv da. Viele Leute würden gar nicht erst nach St.Gallen kommen, wenn es das Restaurant nicht gäbe. Aber wenn sie kommen, machen sie ein schönes Weekend, besuchen die Stiftsbibliothek, gehen ins Textilmuseum, fahren vielleicht noch auf den Säntis.»

Dass das Gourmet-Restaurant ein Aushängeschild für den Gesamtbetrieb ist, liegt selbstverständlich an der Küche; einen wichtigen Beitrag leistet aber auch der Einstein-Weinkeller mit 3000 Positionen, darunter etliche exklusive Flaschen, die es nur hier gibt. «Auch deshalb kommen gewisse Gäste zu uns», weiss Michael Vogt. «Es gibt Gäste, bei denen der Wein und nicht unbedingt das Essen im Vordergrund steht. Die bestellen dann vielleicht nur vier Gänge, geniessen dafür zwei tolle Flaschen Wein. Andere nehmen eine Weinbegleitung und essen acht Gänge.»

Text: Philipp Landmark

Bild: Marlies Beeler-Thurnheer

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