Ostschweiz

Corporate Influencer: Wundermittel für Arbeitgebermarken?

Corporate Influencer: Wundermittel für Arbeitgebermarken?
Selma Kuyas
Lesezeit: 4 Minuten

Corporate Influencer sind in aller Munde – Angestellte, die soziale Medien mit Geschichten über ihren Arbeitgeber bedienen. Zu diesem Thema referiert Selma Kuyas Ende Oktober am WTT Young Leader Award. Im LEADER-Interview verrät sie bereits, wie Corporate Influencer den Fachkräftemangel bekämpfen und geschäftliche Opportunitäten schaffen – für ihre Arbeitgeber und sich selbst.

Text: Pascal Tschamper

Selma Kuyas, warum wurden Corporate Influencer so wichtig?
Man muss Corporate Influencer von den «klassischen» Influencern, wie man sie etwa von Instagram kennt, unterscheiden. Erstere vermarkten Ideen, Expertise und Visionen, um damit die Marke ihres Arbeitgebers zu fördern – Letztere verkaufen eher Produkte. Sie wurden wichtig, weil wir Menschen vertrauen, nicht Logos. Angestellte geniessen in ihren Netzwerken maximale Glaubwürdigkeit. Sie posten nicht für Geld. Sie sind intrinsisch motiviert, weil die Unternehmenskultur für sie stimmt.

Müssen Unternehmen heute auf Corporate Influencer setzen?
Die Informationsbeschaffung verändert sich irreversibel und grundlegend: Soziale Medien konkurrenzieren Suchmaschinen; Junge stöbern ungern in Suchergebnissen – sie wollen Antworten, statt Suchmaschinen-Resultate. Künstliche Intelligenz unterstützt das. Newsfeeds folgen interessenbasierten Algorithmen, nicht mehr demografischen Kriterien. Eine natürliche digitale Evolution ist im Gange. Persönliche LinkedIn-Profile haben verglichen mit Firmenprofilen eine höhere Sichtbarkeit und mehr Interaktionen. Corporate Influencer sind gekommen, um zu bleiben – wie soziale Medien. Wer dort nicht sichtbar ist, findet nicht statt.

Wie viele Unternehmen gehen bereits systematisch vor?
Ich kenne keine handfeste Statistik, aber beobachte den Arbeitsmarkt: Unternehmen mit etablierten Corporate-Influencer-Programmen gibt es in der Schweiz wenige. Diese Programme werden künftig aber fester Bestandteil von Kommunikationsstrategien. Noch gibt es Skepsis: Kontrolle abzugeben, Mitarbeiter teilhaben zu lassen, ist nicht einfach! Ein positives Beispiel ist Jobcloud – oder hier in der Ostschweiz Helvetia.

«Personal Branding ist die wertvollste Kapitalanlage.»

Wo sind Corporate-Influencer-Programme angesiedelt? Welche Ziele verfolgen sie?
Das ist vielfältig. Recruiting und Talent Acquisition sind zentral. Aber auch Account Manager können Corporate Influencer sein, um Kundenbindungen zu stärken. Egal, welche Ziele verfolgt werden – Glaubwürdigkeit schafft Vertrauen und zieht Menschen an. Wenn Corporate Influencer Einblicke in die Unternehmenskultur oder ihre Expertise gewähren, stärkt das auch die Verbundenheit bestehender Angestellter.

Welche Rolle nehmen die Leute ein, die in Unternehmen solche Programme steuern?
Es braucht ein Kernteam, das ein Konzept erarbeitet und mit gutem Beispiel vorangeht. Es braucht Training zu Themen wie Personal Branding, Content Creation oder digitales Recht. Es geht nicht um eine einmalige Aktion, sondern ein fortwährendes Programm mit Aktivierung, Befähigung, Begleitung, Motivation.

Wie lassen sich Corporate Influencer begeistern?
Das Kernteam stellt die Role Models. Meine Hauptaufgabe als externe Beraterin ist es, Interessierten die Chancen aufzuzeigen, die Corporate Influencer dank ihres Personal-Brands erhalten. Bezahlt werden sie nicht, aber Anreize sind möglich – etwa ein professionelles Fotoshooting für die LinkedIn-Beiträge. In Trainings erhalten sie digitale Skills, die sie als Fach- oder Führungskraft enorm aufwerten. Meine Botschaft ist: Personal Branding ist die wertvollste Kapitalanlage. Wer sichtbar ist, baut sein Netzwerk und schafft geschäftliche Opportunitäten – für seinen Arbeitgeber und sich selbst. Etablierte Corporate Influencer schreiben keine Bewerbungen.

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«Etablierte Corporate Influencer schreiben keine Bewerbungen.»

Wer kann Corporate Influencer werden?
Wer sich mit seinem Arbeitgeber, dem Beruf, der Funktion identifiziert – und etwas Affinität für soziale Medien mitbringt. Aber: Man kann niemanden zwingen, als Corporate Influencer sichtbar und aktiv zu werden. 

Viele Unternehmen haben Angst vor Kontrollverlust in der Kommunikation. Wurden Sie schon gerufen, weil Corporate Influencer ausser Kontrolle gerieten?
Ich kenne keinen Fall, der ausartete. Corporate Influencer erhalten einen Rahmen und werden begleitet. Im Idealfall unterschreiben sie einen Leitfaden, der sie in Verantwortung nimmt. Die Gefahr, dass ungeschulte Mitarbeiter einen Shitstorm auslösen, ist viel grösser. Die Herausforderung ist eher, Angestellte zu finden, die den Mut haben, sich zu äussern.

Was sind weitere Risiken?
Wer zu wenig Corporate Influencer aufbaut, gefährdet das Programm, wenn es sich diese anders überlegen oder das Unternehmen verlassen. Das Ziel sollte sein, etwa zehn Prozent der Belegschaft für ein Programm zu gewinnen. So wird es auf verschiedene Persönlichkeiten verteilt.

«Wo Profit einseitig im Fokus steht, schlägt der Fachkräftemangel heftiger zu.»

Muss die Geschäftsleitung mitmachen?
Gerade Führungskräfte sollten sichtbar sein, ja. CEOs sind «Leuchttürme», die die Vision von Unternehmen hinausstrahlen oder deren Haltung aufzeigen. Nicht Löhne halten Mitarbeiter, sondern authentisch gelebte Visionen. LinkedIn kann als Kommunikationskanal die Distanz zwischen Führung und Basis verringern. Beim bekannten Dreiklang «People – Purpose – Profit» sind Menschen und Sinnhaftigkeit entscheidend, speziell für jüngere Generationen. Wo Profit einseitig im Fokus steht, schlägt der Fachkräftemangel heftiger zu.

Welche Inhalte funktionieren gut?
Alles, was mit Werten und Unternehmenskultur zu tun hat, ist bei Corporate Influencern gut aufgehoben: Wie arbeiten wir? Welche Benefits bietet mein Arbeitgeber? Wie werden Angestellte gefördert? Eine gute, greifbare Unternehmenskultur zieht Arbeitskräfte an. Bereits ein Post über Geburtstagsballone am Arbeitsplatz wirkt. Solche authentischen Einblicke sind glaubwürdiger als werbliche Imagefilme. Auch fachliche Themen funktionieren gut. Ich habe einen Schmiermittelhersteller begleitet, bei dem die Ingenieure Vorher-nachher-Fotos von geschmierten Motoren veröffentlichten – sie erhielten sehr viele Likes. Im Idealfall schafft man Mehrwert fürs Netzwerk.

Was funktioniert nicht?
Wenn es zu privat wird. Dafür ist LinkedIn die falsche Plattform. Man muss unterscheiden: Persönlich – ja! Privat – nein! Die Faustregel ist: Alles, was man einem fremden Menschen nicht auf der Strasse erzählen würde, gehört nicht auf LinkedIn. Politik ist heikel – ausser man ist politisch tätig. 

Welchen Rat haben Sie Mitarbeitern, die Corporate Influencer werden wollen?
Aus Firmensicht funktioniert es nur, wenn die Unternehmenskultur stimmt. Allerdings kann jeder seinen Personal-Brand pflegen und entwickeln, seine Talente, Expertise und Stärken sichtbar machen. Das hat nichts mit Selbstbeweihräucherung zu tun. Ein gutes Netzwerk sorgt für Wertschätzung, die manchmal in Unternehmen fehlt.

Text: Pascal Tschamper

Bild: Reto Martin

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