Wichtige St.Galler Strassenprojekte sind in der Schwebe

Wichtige St.Galler Strassenprojekte sind in der Schwebe
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Ein Tunnel unter Rapperswil-Jona, eine Verbindung nach Österreich: Die Realisierung einiger wichtiger Strassenbauprojekte im Kanton St.Gallen braucht viel Geduld.

Neben der Engpassbeseitigung in der Stadt St.Gallen ist das zweite grosse Verkehrsprojekt im Kanton das «Gesamtverkehrskonzept» für die Stadt Rapperswil-Jona. Der wesentliche Unterschied: Unter den aktuellen Grossprojekten Tiefbau des Kantons St.Gallen ist es gar nicht mehr aufgeführt, die unbestritten wichtige Lösung der Verkehrsprobleme der zweitgrössten Stadt des Kantons macht eine weitere Ehrenrunde. Im Grundsatz ist das Projekt einfach erklärt: Der massive Verkehr, der sich durch Rappeswil-Jona von und zum Seedamm wälzt, soll letztendlich unterirdisch in einem Tunnel geführt werden.

Zurück auf Feld 1

Bereits 2003 hatte die Stadt ein Gesamtverkehrskonzept erarbeitet, deren zentrales Element ein (schon viel früher diskutierter) Stadttunnel war, um das Zentrum und die Nord-Süd-Achse zu entlasten. Doch 2011 lehnten die Stimmbürger von Rapperswil-Jona das Vorhaben ab, der Kanton verzichtete deshalb auf eine Genehmigung des Projekts. «Das hatte den ganzen Prozess auf Feld 1 zurückgeworfen», sagt Kantonsingenieur Marcel John.

In neuen Anläufen für eine «Mobilitätszukunft» wurden ein partizipatives Verfahren gewählt und neben dem Tunnel als langfristige Massnahme auch mittelfristige Optimierungen angedacht. Diese Betriebs- und Gestaltungskonzepte vorwiegend auf der Ost-West-Achse, insbesondere die Strassenraumgestaltung zwischen St.Dionys und Cityplatz, wurden vom städtischen Stimmvolk aber ebenfalls verworfen. «Das ganze Gebilde, das in der ‹Mobilitätszukunft› gestaltet wurde, ist wieder zerfallen», sagt John, «von allen Massnahmen ist nur noch der Tunnel übrig.»

In Rapperswil-Jona machte man sich umgehend daran, erneut eine Gesamtschau zu erarbeiten. Dabei geht es auch immer darum, wie der Tunnel ins lokale Strassennetz eingebettet werden kann. Diese Gesamtverkehrskonzeption, die ein Zielbild mit der Jahreszahl 2040 sein will, soll noch 2022 abgeschlossen werden

 
Der Verkehrsweg über den Seedamm und seine Vorläufer verhalfen Rapperswil zu seiner Bedeutung. Heute leidet Rapperswil-Jona unter dem Verkehr, seit vielen Jahren besteht deshalb die Idee, unmittelbar nach dem Seedamm einen Tunnel unter der Stadt zu bauen.
Der Verkehrsweg über den Seedamm und seine Vorläufer verhalfen Rapperswil zu seiner Bedeutung. Heute leidet Rapperswil-Jona unter dem Verkehr, seit vielen Jahren besteht deshalb die Idee, unmittelbar nach dem Seedamm einen Tunnel unter der Stadt zu bauen.

Unglückliche Etappierung

Das Projekt von 2011 stand auch unter einem unglücklichen Stern, weil sich der Bund aus der ursprünglich angedachten Finanzierung zurückgezogen hatte und neu der Kanton das Projekt zu 100 Prozent finanzieren müsste. «Das hatte zu kuriosen Lösungen mit Etappierungen geführt», erinnert sich Marcel John, in jeder Generation wäre eine Etappe erstellt worden, dazu hätte es unschöne Übergangslösungen gegeben. Ein neues Projekt wird einen Tunnelbau in einer einzigen Etappe vorsehen.

Der Stadttunnel selbst hat bestimmte Optimierungen bei den Anschlüssen erfahren, grundsätzlich soll er aber ab dem Portal direkt am Seedamm zum Anschlussknoten Teuchelweiher (Hauptstrasse nach Jona), dann in einer grossen S-Kurve erst zum Anschluss Kempraten und schliesslich im Hüllistein zum Anschluss an die N15 führen. «Der Prozess Mobilitätszukunft hat gezeigt, dass es keine bessere Lösung gibt», sagt John.

Ein wesentlicher Kritikpunkt bei der Volksabstimmung 2011 war, dass es nur auf der Nord-Süd-Achse eine Entlastung gebe, nicht aber auf der Ost-West-Achse. Das liegt freilich daran, dass auf dieser Verbindung der Durchgangsverkehr eine sehr untergeordnete Rolle spielt, Von St.Dionys bis zum Cityplatz macht er etwa zwölf Prozent aus, Nord-Süd ist die Hälfte des Verkehrs Durchgangsverkehr. Was wiederum heisst: Auch hier ist die andere Hälfte Ziel- und Quellverkehr. «Deshalb sind die innerstädtischen Anschlüsse wichtig», erklärt Marcel John, erst dann erreiche man eine genügende Entlastungswirkung.

Wann ein solcher Tunnel eröffnet wird, steht noch in den Sternen. Wenn es vor Ort eine Mehrheit für ein Verkehrskonzept mit Tunnel gibt, dann würde der Kanton in die Projektierung des Tunnels einsteigen, sagt John, «aber es ist nicht absehbar, dass wir in den nächsten zwei, drei Jahren zu einem Auflageprojekt kommen».

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Naturschutz bremst Umfahrung Uznach

Deutlich weiter, aber auch noch nicht startklar ist ein anderes grösseres Strassenbauprojekt im Linthgebiet, die Verbindungsstrasse A15–Gaster, die im Wesentlichen eine Umfahrung von Uznach ist, wo täglich 19 000 Fahrzeuge durchs Zentrum fahren. Die Projektkosten werden auf gegen 350 Millionen Franken geschätzt.

Die sechs Kilometer lange Strasse führt ab der St.Gallerstrasse in Schmerikon südlich um das Siedlungsgebiet von Uznach herum. Dann führt die Strasse erst durch einen Tunnel im Gebiet Rotfarb, dann nach Norden in Richtung Gommiswald und mündet in der Rickenstrasse. Dabei verläuft die Linienführung im Bereich Burgerriet entlang des Naturschutzgebiets Kaltbrunner Riet. Obwohl der Kanton den Abstand zum Riet vergrösserte, hat die Eidg. Natur- und Heimatschutzkommission im Frühling 2022 festgestellt, dass auch die neue Linienführung das Naturschutzgebiet «schwerwiegend beeinträchtigen» würde. Dem Kanton blieb nicht viel anderes übrig, als «den Variantenfächer für den Abschnitt Grynaustrasse bis Rotfarb noch einmal zu öffnen», wie es im März hiess. Am Projekt selbst soll im Grundsatz festgehalten werden.

Die Gemeinde Schmerikon beabsichtigt nun, aufgrund der Verzögerung den ersten Strassenabschnitt zur Erschliessung des Schmerkner Industriegebietes als Gemeindeprojekt vorzuziehen.

Zwei Verbindungen nach Österreich

Eine weitere «alte Geschichte» ist die Verbindung der Autobahnen im Rheintal, der A14 auf österreichischer und der A13 auf Schweizer Seite, über die seit fast 60 Jahren diskutiert wird. Aktuell werden zwei Projekte geprüft, von denen eines eigentlich schon auf der Zielgeraden schien: Im nördlichen Rheintal war die Bodenseeschnellstrasse S18 auf gutem Weg, es gab einen Entscheid für eine Variante mit einer Linienführung von Dornbirn-Süd dem östlichen Siedlungsrand von Lustenau entlang nach Höchst und St.Margrethen. Doch im Sommer 2021 war in Wien eine neue, grüne Umweltministerin im Amt, die zum Entsetzen der Vorarlberger Wirtschaft durchsetzte, dass einmal mehr andere Varianten geprüft werden.

Die Schweiz hat ihrerseits eine Verbindung im mittleren Rheintal geprüft, eine Strasse aus dem südlichen Teil von Diepoldsau nach Hohenems. Aus verschiedenen Untersuchungen hat sich herauskristallisiert, dass eine allfällige Verbindung im nördlichen Rheintal die Probleme im mittleren und südlichen Rheintal nicht lösen würde, «die Distanzen sind einfach zu gross», sagt der St.Galler Kantonsingenieur Marcel John. Was umgekehrt auch bedeutet, dass es auf der Achse Zürich–St.Gallen–München eine Verbindung im nördlichen Rheintal braucht. «Die Umwegfahrten sind über 20 Kilometer —  zu viel, als dass jemand von St.Gallen nach Bregenz mit einer Schlaufe über Diepoldsau fahren würde.»

In der Region Diepoldsau wurde gerade ein Agglomerationsprogramm der vierten Generation gestartet, das auch eine Mobilitätsuntersuchung umfasst. Deshalb wurde die Verbindung vom Kanton vorläufig zurückgestellt, «das wird idealerweise dann ins Agglomerationsprogramm integriert», sagt Kantonsingenieur John.

Beide Projekte sind also noch in der Schwebe, wobei es sich nach Ansicht der Planer nicht um zwei Optionen für ein Problem handelt, wie Marcel John betont: «Vorarlberg und St.Gallen sind der Meinung, dass es beide Verbindungen braucht.»

  

Feier in Wattwil

Im Toggenburg sind in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Umfahrungstrassen entstanden: Bereits 1972 wurde die Umfahrung Ebnat-Kappel eröffnet, bald folgte Lichtensteig, 1993 wurde die erste Etappe der Umfahrung Wattwil ihrer Bestimmung übergeben. Seit 2006 muss der Verkehr nicht mehr durch Bazenheid fahren, 2020 wurde der Abschnitt um Bütschwil eröffnet, und nun wird die Lücke nördlich von Wattwil mit der Strecke ins Obertoggenburg geschlossen: Am 15. September wird die zweite Etappe der Umfahrung Wattwil feierlich eröffnet. In vier Jahren Bauzeit wurde die knapp 3,4 Kilometer lange Strecke für 124 Millionen Franken erstellt.

Neuer Anschluss bei Rorschach

Zum Feiern ist es in Rorschach und Goldach noch zu früh. Dort werden frühestens 2028 die Bagger auffahren, um einen neuen «Autobahnanschluss Plus» zu erstellen. 2019 stimmten Rorschach und Goldach in lokalen Volksabstimmungen dem Projekt zu, das eine Kantonsstrasse von einem Autobahnanschluss an die A1 im Bereich Witen Richtung See und verschiedene Begleitmassnahmen vorsieht. Die Kantonsstrasse führt in zwei Tunnels zu mehreren innerstädtischen Anschlüssen, der Grossteil der Kosten von etwas über 300 Millionen Franken entfällt auf den Kanton.

Weitere wichtige Strassenbauprojekte aus St.Galler Sicht sind der Anschluss Appenzellerland in Gossau mit der Umfahrung Herisau (siehe Artikel zu Appenzell Ausserrhoden) und der Anschluss des Entwicklungsgebiets Wil West (siehe Artikel Thurgau)

Halbstundentakt im Rheintal gerettet

Die jüngste Aufregung um die Rheintallinie der SBB gäbe Stoff für ein kleines absurdes Theater. Die Posse zeigte, dass ein Verkehrsprojekt auch dann noch gefährdet ist, wenn längst alles beschlossen scheint.

Nachdem die Bahnlinie im Rheintal für über 200 Millionen Franken ausgebaut wird, kündigen die SBB an, das Angebot auf dieser Linie aus Spargründen ausdünnen zu wollen. Der Kanton St.Gallen stieg, angeführt von Regierungsrat und Ständeräten, auf die Barrikaden, schliesslich musste Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga ein Machtwort sprechen. Die SBB gaben klein bei und verkündeten, den Halbstundentakt nach Abschluss der Bauarbeiten ab Dezember 2024 wie ursprünglich geplant einzuführen. Für den Ausbau der Doppelspuren im Rheintal (Trübbach–Buchs und Rüthi–Oberriet) wurden die Baugenehmigung inzwischen erteilt.

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Ausbau in Wil

Zahlreiche weitere aktuelle Infrastrukturprojekte in der Ostschweiz sollen für stetige Verbesserungen im öffentlichen Verkehr sorgen. Im Bau befinden sich aktuell Massnahmen zur Leistungssteigerung des Bahnhofs Wil, wo dank längerer Perrons künftig Züge von 400 Metern Länge halten können, wie Patrick Ruggli, Leiter des Amts für Öffentlichen Verkehr des Kantons St.Gallen, erklärt. Zwischen Winterthur und
Wil werden zudem an allen Haltestellen die Perrons auf 320 Meter verlängert.

Im Kanton St.Gallen befindet sich derzeit auch die Doppelspur im Abschnitt Uznach–Schmerikon im Bau. Vorgesehen sind auch ein Ausbau des Bahnhofs St.Gallen (Ostkopf), die Doppelspur zwischen den Bahnhöfen Rorschach und Rorschach Stadt sowie eine Kreuzungsstelle im unteren Toggenburg.

Text: Philipp Landmark

Bild: Marlies Thurnheer

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