"Wir wollen die Depression 'salonfähig' machen"

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Genau 100 Tage ist es her, seit die Privatklinik Clinicum Alpinum auf Gaflei FL ihre Türen geöffnet hat. Klinikleiterin Michaela Risch blickt in einer ersten Bilanz zurück.

Die LEADER-Sonderausgabe zum Clinicum Alpinum finden Sie hier.

Michaela Risch, wie gestalten sich die ersten Monate auf Gaflei?

Turbulent (lacht)! Langsam können wir die Projektphase abschliessen und uns unseren Abläufen und unseren „richtigen“ Tätigkeiten widmen. Die Löschübungen werden immer weniger und der Alltag kehrt langsam ein, wobei ich diesen als sehr angenehm empfinde. Wir haben Glück mit unserem Startteam und dürfen tagtäglich lernen und an unseren Fehlern wachsen.

Gab es spezielle Herausforderungen?

Herausforderungen gibt es in einem Neubau immer. Allerdings haben uns unsere Partner und Handwerker immer unterstützt und auch hier konnten wir viel dazulernen. Auch die Teamkonstellation darf nicht unterschätzt werden. Nicht nur das Gebäude ist neu, auch alle unsere Kollegen. Da kann es schon passieren, dass der ein oder andere sich nicht fair behandelt oder kritisiert fühlt, obwohl ich es nicht so meine, auch das wird sich legen – spätestens, wenn wir uns besser kennengelernt haben.

Wie ausgelastet ist das Clinicum Alpinum zurzeit?

Derzeit ist das Clinicum Alpinum mit 25 Betten in Betrieb und verzeichnet bereits eine Auslastung von vierzig Prozent. Wenn sich Anfragen und Anmeldungen weiterhin so entwickeln, gehen wir bald mit allen Betten, d. h. mit 50 Betten, in Betrieb. Dazu stocken wir dann auch unseren Personalbestand auf.

Woher stammen die derzeitigen Patienten?

Der Grossteil unserer Patienten stammt aus dem Einzugsgebiet Liechtenstein, Österreich und der Schweiz. Was uns positiv überrascht hat, dass wir tatsächlich einige Patienten aus dem eigenen Land behandeln dürfen. Das zeigt uns, dass wir mit unserem Vorsatz, die Depression „salonfähig“ zu machen, Fortschritte machen. Wir wissen es ist nicht immer einfach und auch nicht selbstverständlich, wenn sich unsere Patienten der Herausforderung stellen „was denken denn die anderen“.

  

Wie haben sich die Subspezifitäten, die Schlafklinik und das Angebot für Sportpsychiatrie, entwickelt?

Sowohl die Schlafklinik als auch das sportpsychiatrische Angebot sind gut angelaufen. Wir haben viele Anfragen von Personen mit schweren Schlafstörungen. Der Schlaf ist einer der wichtigsten Faktoren für körperliche und psychische Gesundheit. Grosse wissenschaftliche Studien belegen den Zusammenhang zwischen Depression, Schlafstörung und Schlafmangel. Als erste Privatklinik fokussieren wir auf eine konsequente Schlafdiagnostik, deren Resultate direkten Einfluss auf die medizintherapeutische Ebene haben. Der Fokus unserer Schlafklinik liegt auf der Diagnostik, Therapieempfehlung und einem konkreten Verhaltensanalyse- und -optimierungskonzept. Akute und chronische, organisch und nicht organisch bedingte Ein- und Durchschlafstörungen bzw. nächtliche Ruhebeschwerden sowie Schlafkontinuitätsstörungen stehen im Zentrum unserer Bemühungen.

Und was tut sich im Bereich der Sportpsychiatrie?

Wir sind wir stolz darauf, dass wir bereits eine Zertifizierung entgegen nehmen durften. Das Clinicum Alpinum ist von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Neurologie (DGPPN) als ausseruniversitäres Zentrum für Sportpsychiatrie anerkannt. Damit sind wir in der Ostschweiz das erste Kompetenzzentrum für „Seelische Gesundheit im Sport“. Unsere Klinik stellt aufgrund ihrer zentral zugänglichen Lage in Mitteleuropa und des alpinen Standortes auf etwa 1500 Meter mit hoher Lichtexposition sowie dem Zugang zu fachinternistischer und fachpsychiatrischer Kompetenz ein abgerundetes, individuelles Angebot für psychisch erkrankte Sportler bereit. Wir haben bei der Auswahl unserer Mitarbeiter grössten Wert darauf gelegt, dass Psychotherapien und körperbezogene Therapien ergänzt durch fachärztliche Therapie und auch Karriereberatung (Organisationspsychologie) massgeschneidert in einem höchst diskreten Umfeld für den erkrankten Sportler vom ersten Behandlungstag an zugänglich sind.

  

Welche Projekte stehen für die Zukunft an?

Noch ganz viele (lacht)! Wir verstehen uns als lernende Organisation, uns werden Ideen für künftige Projekte bestimmt nicht ausgehen. In naher Zukunft werden wir evaluieren, ob und in welcher Form wir ein Angebot für Frauen vor, während oder nach der Schwangerschaft integrieren können. Sowohl aus der ambulanten Praxistätigkeit aber auch bereits nach den ersten Monaten hier im Betrieb haben wir immer mehr Anfragen von betroffenen Frauen.

Zudem werden wir unser Therapieangebot mit dem Angebot des Waldbadens ergänzen. Wer in Japan unter Stress oder Depression leidet, dem verschreibt der Hausarzt gerne auf Rezept ein Bad im Wald. Japanische Wissenschaftler haben mittlerweile anhand verschiedener Studien entdeckt, dass der Aufenthalt im Wald wie eine Art Aromatherapie wirkt, die für die Gesundheit förderlich ist. Unsere Klinik liegt mitten im Wald, wir sind also prädestiniert, diese heilsame Umgebung in unsere Therapien zu integrieren.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit den Zuweisern?

Unsere Zuweiser verstehen wir als Partner, denen wir auf Augenhöhe begegnen. Wir stehen ein für eine offene und transparente Kommunikation, mit dem Ziel, die Vor- und Nachbehandler über die Behandlung ihrer Patienten bei uns auf dem Laufenden zu halten. Unser Eintrittsprozedere haben wir bewusst schlank gehalten, um sowohl die zuweisenden Kollegen als auch die Patienten in diesem Prozess zu entlasten. Dies hat sich schon jetzt bewährt: