«Tolles Spiel trotz leerer Ränge»

«Tolles Spiel trotz leerer Ränge»
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Erstmals wurde das Rheintaler Wirtschaftsforum rein digital durchgeführt. Der Live-Stream kam aus dem Swiss-Re-Hauptsitz, die auch den Hauptredner stellte: Verwaltungsratspräsident Walter B. Kielholz sprach zum Thema «Risiko und Resilienz – Führung in unsicheren Zeiten». 

Regierungspräsident Bruno Damann oblag es, alle Zuschauer und Zuhörer draussen an den Laptops, Mobiles und Computern zu begrüssen. Zentrales Thema dabei war natürlich die Coronakrise. «Unsere Welt steht kopf. Was eine persönliche Begrüssung unmöglich macht. Deshalb sind wir digital verbunden.» Damit sei das Beste aus der Situation gemacht worden.

Man dürfe aber hoffnungsvoll auf 2021 blicken. Die Wirtschaftsleistung soll nach den Prognosen den Vorkrisenstand erreichen können. «Wenn die Unternehmen risikoscheu sind, muss der Staat mehr Risiko auf sich nehmen.» Damann verwies darauf, dass das Rheintaler Wirtschaftsforum 2021 eigentlich unter dem Motto «Risiko, Verantwortung, Führung» gestanden hätte. Der derzeit situationsbedingte Kopfstand biete auch seine Vorteile: der Kopf werde besser durchblutet und neue Perspektiven wahrgenommen.

Preis der Rheintaler Wirtschaft

Moderatorin Sonja Hasler durfte dann durch die Verleihung des Preises der Rheintaler Wirtschaft führen. Jurypräsidentin Brigitte Lüchinger erläuterte, dass dieser zum 27. Mal verliehene Preis innovative Betriebe im Rheintal würdige. «Es hat immer wieder viele preiswürdige Firmen. Das Rheintal ist ein leistungsfähiger Wirtschaftsstandort mit High-Tech-Produktion.» Dieses Jahr wurde die Coltène Wahledent AG aus Altstätten aufgrund ihrer unternehmerischen Weitsicht und ihrer innovativen Produkte, den dentalen Verbrauchsmaterialien, als Preisträgerin auserkoren. «Bei Coltène wird bewiesen, dass im wirtschaftlichen Erfolg auch andere Werte zählen, wie der Umgang mit den Mitarbeitern und das Bekenntnis zum Standort in Altstätten.»

«Wir waren sehr überrascht, aber auch sehr erfreut, dass wir den Wirtschaftspreis bekommen haben» zeigte sich CEO Martin Schaufelberger von Coltène hocherfreut. Es sei die Leistung der gesamten Belegschaft, die damit gewürdigt werde. «2020 war ein ganz spezielles Jahr. Die Branche veränderte sich und die Konkurrenz wurde grösser, aber es gab keine grundsätzliche Strukturänderung. Wir sind es im Rheintal gewohnt, kostengünstig zu produzieren und die Herausforderungen anzupacken.»

  

Heimrecht für den Hauptredner

Das Rheintaler Wirtschaftsforum wurde dieses Jahr aus dem Gebäude des Swiss Re in Zürich übertragen. Heimrecht also für den Verwaltungsratspräsidenten der Swiss Re Walter B. Kielholz (Bild), der als Hauptredner zum Thema «Risiko und Resilienz – Führung in unsicheren Zeiten» referierte. Er stimmte mit einer Darstellung der neu auftretenden Infektionskrankheiten als zunehmende Bedrohung seit der Spanischen Grippe auf das Thema ein. HIV, MERS, SARS, Vogelgrippe, Covid 19 – man konnte anhand der gezeigten Statistik sehen, dass die Pandemien ständig zunehmen. In seinem Business, der Rückversicherung sei es besonders wichtig, frühzeitig zu sehen, wo das alles hinführt.

Die grosse Überraschung der aktuellen Pandemie sei nicht die Pandemie selbst gewesen, sondern die Schäden, die durch das Handeln der Politik und der Wirtschaft entstanden sind. Die Swiss Re habe durch die Sicherstellung der starken Bilanz, der Steuerung der Neugeschäfte, wie durch Pandemiepools, durch eine kontinuierliche Anpassung der Anlagestrategien, eine Stärkung der digitalen B2B2C-Plattformen, durch eine Anpassung von Führungsintensität und Führungsstil, einem Business Continuity Management nach Plan und mit Schutzkonzepten gegengesteuert.

Pandemiedauer als Hauptproblem

«Die Dauer der Pandemie wurde zum Hauptproblem», so Walter B. Kielholz. «Und Krisen komplizieren die zu treffenden Entscheide.» Denn letztlich seien «Krisen» geprägt durch Entscheidungsstaus. Die Folgen: Panikentscheide und offensichtliche Unsicherheit mit Auswirkungen bis zum Aktienkurs. «Eine effektive Krise erkennt man, wenn das alles zutrifft.» Durch eine gute Corporate Govrenance sollte die Führung eines Unternehmens in ihrer Entscheidungsfähigkeit auf mögliche Ausnahmesituationen vorbereitet sein. Auch auf sogenannte «Schwarze Schwäne», also tatsächlich vorkommende, aber höchst seltene, unvorstellbare und deshalb überraschende Ereignisse. Wie es eine Pandemie ist. Swiss Re sei durch einen Pandemieplan aus 2007 vorbereitet gewesen. Was überraschend gewesen sei, sei die Tatsache, dass die Schäden durch die behördlichen Massnahmen entstanden seien.

Das Fazit von Walter B. Kielholz aus seiner langjährigen Tätigkeit: «Wieviel Phantasie haben Sie eigentlich, um sich vorstellen zu können, was alles Schlechtes passieren kann. Stellen Sie es sich vor. Und es kann noch viel schlechter kommen.»

 

Aus Heerbrugg in die ganze Welt

Wie konnte aus einem kleinen Weiler im Rheintal ein Standort werden mit präzisionstechnischen Instrumenten von Weltrang? Diese Frage wurde mit einem Video über die Historie von Wild Heerbrugg und in einer Diskussionsrunde geklärt. Eine Diskussionsrunde, an der Hans Hess, ehemals CEO bei Leica Geosystems, Thomas Schmidheiny, ehemaliger Verwaltungsratspräsident von Wild Heerbrugg und der Wild Leitz Gruppe, Thomas Harring, Präsident Hexagon Geosystems und CEO Leica Geosystems, sowie Regierungspräsident Bruno Damann teilnahmen. Die Diskussionsteilnehmer waren sich einig: Das Unternehmen Wild und dann Leica haben immer wieder einen Weg gefunden, mit Pioniergeist neue Produkte zu entwickeln.

Wichtig, ja entscheidend für diese Entwicklung seien die grossartigen Mitarbeiter gewesen, die im Rheintal tätig waren. Leute, die oft ihr ganzes Leben lang in diesem einen Betrieb verbracht haben. Es wurden von Hans Hess und Thomas Schmidheiny wissenswerte Geschichten aus der Historie von Wild-Leica erzählt.

Interessante Geschichten und Histörchen auch aus der Zeit vom Übergang vom Mechanischen zum Elektronischen. „Bringen Sie einmal einen Rheintaler dahin, Software zu schreiben“, machte Schmidheiny launig die damaligen Defizite deutlich.

Den Abschluss machte Reinhard Frei von Freicom, der das digitale Rheintaler Wirtschaftsforum veranstaltet hatte und mit Fussball verglich: tolles Spiel, aber leere Ränge.

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