«Oft wird reagiert statt agiert»

«Oft wird reagiert statt agiert»
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Raphael Schönenberger, CEO der PMS Schönenberger AG aus St.Gallen, und Pascal Kesseli, CEO der Newplace AG aus Uznach, über Aufgaben, Möglichkeiten und Nutzen von externer Begleitung in ausserordentlichen Personalsituationen. Ein Highlight-Text von Stephan Ziegler aus der aktuellen LEADER-Ausgabe.

Pascal Kesseli, bis vor rund anderthalb Jahren waren Sie CEO der FC St.Gallen Event AG, heute beraten und begleiten Sie mit Ihrer Newplace AG Unternehmen und Angestellte in personellen Reorganisationsprozessen. Warum engagieren Sie sich gerade im Personal

Weil ich in den letzten 20 Jahren als CEO Unternehmen führen durfte und dabei immer die Menschen im Unternehmen den Erfolg ausgemacht haben. Nicht die Strategie, nicht die Technik, nicht die Produkte, sondern der Mensch macht den Unterschied. Die Personalpolitik steht hinter jedem Erfolg –das fasziniert und motiviert mich. Mich reizt der ganze Zyklus von einem Menschen in einem Unternehmen: die Gewinnung, die Entwicklung, die Bindung, aber auch die Trennung. Dazu führe ich mit 21 Experten zwei Unternehmen die sich zum einen mit Führung, Leadership und Unternehmenskultur beschäftigt und zum anderen mit personellen Reorganisationen: die Parrtner AG und die Newplace AG.

Was bringt es denn einem Unternehmen, jemanden für die Beratung eines Mitarbeiters zu bezahlen, der ausscheidet?

Bei einem professionellen Trennungsmanagement geht es nicht nur um soziale Verantwortung dem Betroffenen gegenüber: Eine Reorganisation mit personellen Konsequenzen ist für alle Beteiligten anspruchsvoll und belastend. Oft entstehen dabei Kollateralschäden gegen innen und aussen. Diese Auswirkungen übersteigen die Kosten einer Begleitung um ein Vielfaches. Bei einem professionellen Outplacement gilt der Fokus nicht nur den Betroffenen, sondern dem gesamten Unternehmen. Hier setzen wir an, schaffen Entlastung und bringen neben Expertise die nötige Aussensicht ein.

Wie gehen Sie dabei konkret vor?

Idealerweise werden wir bereits im Vorfeld einer Trennung beigezogen. Dies trifft für Einzelfälle wie auch für grosse Reorganisationen zu. Wir entwickeln mit der Geschäftsleitung den gesamten Prozess in drei Phasen. Von der Ressourcenplanung, der Sozialplanentwicklung und der rechtlichen Beurteilung über die Entwicklung einer professionellen Kommunikation nach innen und aussen bereiten wir die HR-Verantwortlichen auf die Trennungsgespräche vor und begleiten anschliessend die Betroffenen bis hin zu einer neuen Anstellung.

  

Und die Entlassenen könnten sich nicht einfach selbst helfen?

Doch, natürlich – oft bleibt ihnen auch gar keine andere Wahl. Aber wer die Chance einer professionellen Outplacementbegleitung bekommt, wird dabei optimal begleitet. Eine Kündigung verarbeitet man sehr unterschiedlich, das geht von Schockstarre und totaler Hilflosigkeit bis hin zu «Hey, das ist auch eine Chance!»

Was ist der erste Schritt, den man tun sollte, wenn man plötzlich ohne Job dasteht?

Das richtige Umfeld schaffen, offen mit dieser Situation umgehen und aktiv werden. Heute stehen den Betroffenen einige Möglichkeiten zur Begleitung zur Verfügung. Das Angebot wird immer breiter. Ganz wichtig ist die persönliche Reflexion – und genau dafür ist ein professioneller Sparringspartner wichtig.

Der Abschied von der Lebensstelle ist heute keine Seltenheit mehr. Klassische Laufbahnmuster werden immer rarer, die Arbeitsplatzsicherheit verliert an Bedeutung. Was zählt, ist Arbeitsmarktfähigkeit. Wie erhält man sich diese – auch

Genau hier stelle ich grosse Defizite fest. Sowohl auf Arbeitnehmer- wie auch auf Arbeitgeberseite befasst man sich zu wenig mit morgen und übermorgen. Hier begleiten wir als Sparringspartner Führungskräfte in ihrer Laufbahn und Unternehmen bei der Personalplanung. Oft wird reagiert statt agiert – auf beiden Seiten. Wer hat das Potenzial, befördert zu werden? Sind unsere Führungskräfte fit genug, nicht nur fachlich, sondern auch emotional? Bin ich in meiner Rolle zufrieden, erfolgreich? Oft fragt man sich das erst, wenn eine Trennung unausweichlich ist. Das muss nicht sein! Die Lösung heisst auf beiden Seiten: Fitness-Check.

Und was raten Sie jemanden, wenn er mit 45, 50 Jahren noch einmal etwas ganz Neues machen will?

Es unbedingt zu tun! Die Zahl der Arbeitnehmer, die unglücklich in ihrem Job sind, ist sehr gross. Die Folgen sind fatal, für sich selbst und den Arbeitgeber.

Raphael Schönenberger, Sie haben 2013 die operative Führung der PMS Schönenberger AG von Ihrem Vater Martin übernommen. Wie geht es der Branche und wie hat sie sich in den vergangenen sechs Jahren auf Kundenseite entwickelt?

Verschiedene volkswirtschaftliche und technologische Entwicklungen beeinflussen unsere Branche. Der Fachkräftemangel ist in diversen Branchen stark spürbar, und die Suche nach qualifizierten Kandidaten gestaltet sich herausfordernder. Neue Technologien ermöglichen andere Zugänge zu potenziellen Kandidaten, was unsere Suchstrategien über die Jahre verändert hat. Diese Faktoren führen dazu, dass die Nachfrage nach unserer Dienstleistung, aber auch der damit verbundene Suchaufwand steigen.

 

Konstatieren Sie auch seitens der zu vermittelnden Kandidaten Veränderungen?

Wir stellen fest, dass sie zusehends gefunden werden wollen und nicht immer aktiv nach Stellen suchen. Dies gilt nicht mehr nur für das Top Management. Inserate zu schalten und aus den Bewerbungen die geeignetsten Kandidaten auszusuchen, ist nicht mehr Programm. Es braucht aktivere Rekrutierungsmassnahmen, um an die richtigen Kandidaten zu gelangen. Dabei spielen Netzwerke in die verschiedenen Branchen eine zentrale Rolle, um den Kontakt zu passenden Kandidaten herstellen zu können.

Jetzt sitzen wir hier zusammen mit Pascal Kesseli; inwiefern arbeiten seine Newplace AG und Ihre PMS Schönenberger AG zusammen – und wie hat sich diese Zusammenarbeit ergeben?

Schönenberger: Als Dienstleistungsunternehmen wollen wir für unsere Kunden ein Sparringspartner in sämtlichen HR-Disziplinen sein. Unsere Kernkompetenz ist das Inplacement von Fach- und Führungskräften, zusätzlich sind wir im Coaching und Outplacement aktiv. Um das Outplacement aktiv auszubauen, brauchen wir einen starken Partner mit einer schweizweiten Präsenz. Wir sind überzeugt, mit Newplace und Pascal Kesseli dieses Netzwerk gefunden zu haben.
Kesseli: Uns verbindet eine langjährige Freundschaft und wir pflegen einen offenen Austausch. Diverse Gespräche, ähnliche Wertvorstellungen und die hohe Fachkompetenz der PMS Schönenberger haben zu dieser Zusammenarbeit geführt.

Sie sind auch auf Inplacement spezialisiert, das heisst auf den wichtigen Prozess, um neue Mitarbeiter in eine Organisation zu integrieren und ihr Potenzial für das Unternehmen nutzbar machen zu können. Der Begriff ist erst in den letzten paar J

Schönenberger: Mit der Digitalisierung verschwinden einfache Routinetätigkeiten, die komplexeren Aufgaben bleiben in Menschenhand. Die Anforderungen an neue Angestellte steigen, sie müssen sich flexibel in neuen technischen Umgebungen zurechtfinden. Gleichzeitig haben wir eine Arbeitsmarktsituation mit sehr tiefer Arbeitslosigkeit und stabiler Nachfrage nach Fach- und Führungskräften. Unternehmen wollen vermeiden, wertvolles Humankapital zu verlieren. Diese Faktoren führen dazu, dass dem Inplacement oder Onboarding eine grössere Rolle zukommt: Mitarbeiter sollen durch eine professionelle Einarbeitung langfristig an das Unternehmen gebunden werden und schnell produktiv arbeiten können.

  

Und wie gehen Sie dabei vor?

Wir bieten die Inplacement-Beratung häufig als Teil unserer gesamten Rekrutierungsdienstleistungen an. Dabei unterstützen wir den Kunden bei der Planung, Umsetzung und Kontrolle der Einarbeitungsphase. Es gibt kein Standardvorgehen, das für alle Unternehmen Sinn macht. Wir gehen auf die spezifische Situation der Unternehmung und der Position ein und entwickeln massgeschneiderte Lösungen, die auf praktischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen.

Die fachliche Qualifikation ist das eine, das andere ist die soziale und wertorientierte Integration eines neuen Angestellten. Wie stellen Sie diese sicher?

Im Idealfall fühlt sich der neue Mitarbeiter fachlich schnell sicher, weil er weder über- noch unterfordert ist und seinen Fähigkeiten entsprechend eingesetzt wird. Doch nur, wenn die neue Person sozial gut ins Team und kulturell optimal ins Unternehmen integriert ist, wird sie sich mit den Aufgaben identifizieren und Höchstleistungen erbringen können. Wir achten bereits bei der Selektion von Kandidaten darauf, dass die Wertesysteme mit dem der Unternehmung übereinstimmen. Während der Einarbeitungsphase sind regelmässige Feedbackgespräche und eine hohe Transparenz bezüglich gegenseitigen Erwartungen von grosser Bedeutung.

Zahlt sich das für das einstellende Unternehmen aus?

Fehlbesetzungen und frühzeitige Austritte können ein Unternehmen teuer zu stehen kommen. Die Kosten erstrecken sich über die direkten Gebühren der Rekrutierung über Reputationsschäden bis hin zu Verlust von Fachwissen und Kontakten an die Konkurrenz. Eine sorgfältige Selektion und Einarbeitung zahlt sich daher in den meisten Fällen aus.

Was raten Sie HR-Verantwortlichen, wie sie bei der Evaluation von Inplacement- und Outplacement-Anbietern am besten vorgehen sollten

Die Grundlage bilden die Bedürfnisse der Unternehmen in der jeweiligen Situation. Es gibt nicht den einen richtigen Partner für jede Situation. Danach würde ich Methodik, Vorgehensweise und Erfahrung der Anbieter evaluieren. Und last, but not least spielt natürlich auch die Chemie zwischen Auftraggeber und -nehmer eine Rolle. Es wird mit sensitiven Informationen gearbeitet, da sollte ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden können.