eSport in der Schweiz beliebt, aber unterbezahlt

eSport in der Schweiz beliebt, aber unterbezahlt
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Der elektronische Sport ist in der Mitte der Schweizer Gesellschaft angekommen. Aktuelle Studien dazu wurden beim „eSport.Business.Forum“ in St.Gallen vorgestellt. 135 Besucher und 20 Experten trafen sich gestern zum Wissenaustausch in den Olma-Messen in St. Gallen.

Die Zielgruppe ist jung, gebildet und digital versiert. Aber auch Mitvierziger steigen jetzt mit einer eigenen eSport-Liga ein. Damit ist die Schweiz weltweit führend. Andererseits gibt es in der Schweiz nach wie vor kein bedeutendes eSport-Event und auch die finanziellen Investitionen von Sponsoren sind vergleichbar gering. Dies das Fazit der Veranstalter des gestrigen eSport.Business.Forums.

Gerade gewann ein 16-jähriger die Fortnite-WM mit drei Millionen Preisgeld. Zusätzlich purzeln immer weitere Rekorde bei den internationalen eSport-Turnieren. In dieser Hinsicht kann es der elektronische Sport schon locker mit anderen Sportarten aufnehmen. Die vier erfolgreichsten Games belegen dies. «Bei League of Legends, Fortnite, Counterstrike und Dota 2 liegt der jährliche Preispool bei 10 Millionen Dollar», erklärt Timo Krüger (Bild)von Nielsen Sport. Auch in der Schweiz sind diese Games besonders beliebt.
 
Schweizer Zahlen zum eSport
eSport ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Jeder dritte Schweizer ist laut Studie der ZHAW Gamer. Rund 30 Prozent der ZHAW-Befragten bezeichnen sich selbst als Gamer. Als tatsächliche eSportler sehen sich 3,7 Prozent. Die wöchentliche Spieldauer von Gamern und eSportlern betrage durchschnittlich rund 11 Stunden. FIFA 19 ist das beliebteste Spiel in der Schweiz und wird am meisten gespielt (38,2 Prozent). «Call of Duty: Black Ops IV» (30,1 Prozent) und «Minecraft» (24,8 Prozent) folgen auf den Plätzen zwei und drei.

Bei «Fortnite», einem der derzeit populärsten Games weltweit, ist laut Studie ein veränderter Konsum zu beobachten: Nicht mehr das Spielen stehe im Fokus, sondern das Zuschauen. Das Interesse an eSports dürfte in den nächsten Jahren steigen, denn die nächste Generation wächst bereits mit dem Thema auf. Die Zahlen zeigen, dass hier noch viel Potenzial besteht, heisst es in der Mitteilung weiter.

Mitvierziger als neue eSport Zielgruppe
Entgegen der weitläufigen Meinung ist eSport nicht nur bei der jungen Bevölkerung angesagt. Bis in die Mittvierziger ist die Beliebtheit hoch. Dieser Zielgruppe wird nun durch die «Senior eSports Liga» mehr Aufmerksamkeit geschenkt.

«Unser Ziel ist, dass auch die Generation über 40 eine Chance auf eSports bekommt», so der Gründer René Merkli. Statt Twitch und Twitter wird über Facebook geworben. Der Einstieg in die Plattform ist bewusst einfach gehalten. Youngsters dürfen nicht mitspielen. «Sie geben stattdessen Streamingtipps in Workshops und zeigen uns, wie man richtig zockt».

Für Merkli ist das Potential enorm. «In der Schweiz besitzen 520 000 der über 40-jährigen Männer eine Konsole. In Deutschland sind 15 Millionen Gamer in diesem Alter», erzählt er. Die Senior eSports ist seit kurzem in der Schweiz gestartet. Ziel ist der Ausbau einer professionellen Liga mit einem eigenen eSport Team. Die Senior eSports soll zur ESL für eSportler ab 40 werden. «Wenn alles glatt läuft, werden wir in drei Jahren in den US-Markt einsteigen», so Merkli.

  

Offene Türen für Sponsoren

ESport Fans sind dem Sponsoring gegenüber positiv eingestellt. «Sie verstehen das Ökosystem eSport, dasohne seine Sponsoren nicht diese Größenordnung erreichen könnte», meint Timo Krüger von Nielsen Sports. Das Sponsoring und Engagement ermöglicht völlig neue Reichweiten. Ebenso steigt das Interesse an eSport rasant. «Unsere Studie ergab, dass 35 Prozent der Befragten in den letzten zwei Jahren eSport für sich entdeckt haben, ein enormes Wachstum», so Krüger.

Immer mehr Marken steigen in den eSport ein und nützen die Potentiale für ihre Markenkommunikation. Auch in der Schweiz folgen immer mehr Unternehmen diesem Trend. Dass sich etwa die Swisscom neuerdings im Spiel Countertrike engagieren beweist, dass eSport auch bei nicht endemischen Marken in der Schweiz angekommen ist.

Dennoch sind die Sponsoring-Summen im Schweizer eSport noch recht gering, bekundeten verschiedenste Kongressteilnehmer. Offensichtlich warten die Unternehmen nach wie vor kritisch ab, ob ihre eSport-Engagements positiv aufgenommen werden.

Tom Zimmermann von der Postfinance und Annette Köhler von der Swisscom zeigten sich aber sehr zufrieden in ihrer Zwischenbilanz. Ebenso Borussia Mönchengladbach, die seit knapp einem Jahr ein eigenes FIFA-Team haben. Ähnlich wie im realen Sport, ist auch ein Schweizer Profi Stefan Beer (19) alias «Topik» unter Vertrag und neben sportlichen Erfolgen beschert er dem Bundesligisten auch als Markenbotschafter in der Schweiz eine gute Leistung.

Der Sportbegriff bleibt Diskussionsthema

Dennoch ist eSport kein offiziell anerkannter Sport. Erst kürzlich entschied das Bundesamt für Sport (BASPO), dass eSport in der Schweiz nicht als Sportart anerkannt ist. Somit entfallen finanzielle und anderweitige Förderungen durch den Bund. Dennoch bleibt die Diskussion bestehen.

«Im Bericht des BASPO wird betont, dass der Sportbegriff dynamisch ist und letztlich durch die Gesellschaft definiert wird. Damit wird eine Tür für eine Neubeurteilung des Sportbegriffs offen gelassen», sagt Moritz Jäggy, eSport-Rechtsanwalt bei Vischer, beim «eSport.Business.Forum»in St. Gallen.

  

Digitaler Sport für eine digitale Generation

Während öffentliche Institutionen noch darüber debattieren, ob eSport als Sport anzuerkennen ist, ist das Hochleistungszocken längst in der breiten Bevölkerung angekommen. Bereits 27,6 Prozent, also ein Viertel der Schweizer Bevölkerung, nimmt eSport tatsächlich als Sport wahr. Das ergab die aktuelle Studie der Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), die am Kongress vorgestellt wurde.

Für Valerio Stallone von der ZHAW ist dieses Ergebnis sehr erfreulich. «Selbst innerhalb der eSports-Welt ist man sich nicht immer einig, welche Spiele nun eSport sind.» Ein Beispiel dafür ist das Spiel Fortnite. Die Diskussion sei wichtig, sie zeige aber auch, dass der Weg bis zu den Strukturen von klassischen Sportarten weit sei.