St.Gallen

Ausnahmezustand als neue Normalität

Ausnahmezustand als neue Normalität
Hans-Peter Walser
Lesezeit: 5 Minuten

Beim 28. Rheintaler Wirtschaftsforum in der Aegetenhalle in Widnau drehte sich alles um die „Neue Normalität“. Vier Referenten beleuchteten dieses Thema aus allen Richtungen. Und mit Crimer stand ein musikalischer Überraschungsgast auf der Bühne.

Text: Gerd Huber, Bilder: Ulrike Huber

Reinhard Frei und sein Team als Veranstalter des Rheintaler Wirtschaftsforums konnten zufrieden sein. Etwa 800 Besucher in der voll besetzten Aegetenhalle. Besucher, die von den gehaltenen Referaten begeistert waren. Und vom reibungslosen Ablauf der gesamten Grossveranstaltung. Grund genug, sich selbst auf Schulter zu klopfen.

Christof Schwarber
Christof Schwarber

Exzellente Besetzung

Nicht so gross wie das gleichzeitig stattfindende World Economic Forum in Davos, aber auch mit einer exzellenten Besetzung und vielen namhaften Politikern und Wirtschaftskapitänen unter den Besuchern gesegnet, wurde dieses Wirtschaftsforum wieder zu einem grenzüberschreitenden Treffen.

So war auch Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner zu Gast und nutzte die Gelegenheit für Gespräche mit den St.Galler Regierungsmitgliedern Marc Mächler, Beat Tinner und Bruno Damann. Auch die Ständeratskandidatinnen für den Kanton St. Gallen Esther Friedli, Barbara Gysi, Franziska Ryser und Susanne Vincenz-Stauffacher waren vollzählig vertreten. Und hörten, wie Christof Schwarber von der Helvetia Versicherung im Namen aller Grosssponsoren die Begrüssung vornahm.

„Ihre Teilnahme an diesem Wirtschaftsforum zeigt, wie prosperierend und nachhaltig unsere Wirtschaftsregion ist.“ Drei Dinge seien es, die ihm in dieser Zeit der Krisen Mut machen würden: die intakte freiheitliche Demokratie der Schweiz. Dass es zu einer Reform der Altersvorsorge komme und die Pensionen gesichert seien. Und dass es in Sachen Klimaschutz Lösungsansätze, Initiativen und Massnahmen gebe, die der Wirtschaft wieder Chancen bieten würden.

Markus Wallner
Markus Wallner

Welt in Dauerkrise

Regierungsrat Marc Mächler überbrachte die Grüsse der Kantonsregierung. „Die Welt ist definitiv eine andere als noch vor einigen Jahren und befindet sich wohl in einer Dauerkrise.“ Dennoch gefalle ihm das Motto dieses Wirtschaftsforums „Neue Normalität“ besser, weil darin auch eine positive Seite mitschwinge.

Denn schliesslich gebe es diese positiven Aspekte. Es herrscht derzeit Vollbeschäftigung und der Wirtschaft geht es gut. Was künftig vonnöten sein wird, ist der Mut und der Willen, auf die ständig schneller werdenden Veränderungen ebenso schnell zu reagieren, flexibler zu werden und über den Tellerrand zu blicken.

Gemeinsam mit AGV-Präsident Klaus Brammertz übergab Moderatorin Sonja Hasler den diesjährigen „Preis der Rheintaler Wirtschaft“ an Bruno und Klara Bischofberger von der SternGarage Heerbrugg. In einem Video und in einer kurzen Ansprache von Klaus Brammertz wurden die Leistungen dieses Unternehmerehepaars gewürdigt. „Es ist bemerkenswert, heute in der Region etwa vierzig Millionen Franken in einen Neubau einer Autowerkstatt zu investieren.“ Die Bischofbergers gaben sich so, wie sie sind. Im besten Sinne bodenständig und bescheiden.

  
Klaus Brammertz (rechts) mit Klara und Bruno Bischofberger
Klaus Brammertz (rechts) mit Klara und Bruno Bischofberger

Geopolitische Zeitenwende

Der erste Hauptredner des Nachmittags war Korpskommandant und stellvertretender Chef der Schweizer Armee Hans-Peter Walser, der ein Referat mit dem Titel „Sicherheitspolitik in einer geopolitischen Zeitenwende“ hielt. „Wir im Führungsstab der Armee sprechen derzeit von einer Situation der Multikrise“, so Walser. Für die Ergründung des Begriffs „Neue Normalität“ müsse zuerst definiert werden, was neu ist, und was denn früher ganz normal war.

Die derzeitigen aktuellen oder zu erwartenden Krisen auf der ganzen Welt, ob der Konflikt China-Taiwan, ob die politische Entwicklung in den USA, oder ob der russische Angriffskrieg in der Ukraine, alle diese Krisen hätten auch Auswirkungen auf die Schweiz. Und Aufgabe der Armee sei es, dabei auf den „worst case“ vorbereitet zu sein. „Die Armee hat sich auf die gefährlichsten, nicht auf die wahrscheinlichsten Szenarien vorzubereiten.“

Urbanisierung, Demografie, Klimawandel und die vierte industrielle Revolution – diese vier globalen Kräfte würden die Welt künftig vor grosse Herausforderungen stellen. Weitere Megatrends sehe er in der Überalterung der Gesellschaft, der Erwärmung des Klimas und der Digitalisierung samt künstlicher Intelligenz. Das bedinge dann auch, dass sich die Grenze zwischen Krieg und Frieden nie mehr ganz genau wird ziehen lassen.

Marc Mächler
Marc Mächler

Kompletter Gegenpol

Ein in Auftreten, Aussehen und Inhalten kompletter Gegenpol zum stellvertretenden Armee-Chef Hans-Peter Walser war der nächste Referent, der aus dem Waldviertel stammende Österreicher Johannes Gutmann. Bekleidet mit einer alten Lederhose, einem Werbe-T-Shirt und einer roten Brille mit kreisrunden Brillengläsern eroberte er im Schwung die Bühne und die Herzen des Publikums. Wohl noch selten gab es beim Wirtschaftsforum einen Referenten zu sehen, der derart fröhlich und mit sich selbst im Reinen seine Botschaften an seine Zuhörer brachte.

Gutmann ist Gründer und Eigentümer der Sonnentor Kräuterhandels GmbH. Gegründet 1988 („damals hatte ich genug Zeit, ich war ja arbeitslos“) war Gutmann seiner Zeit voraus. Er setzte schon auf Bio und Nachhaltigkeit, als diese Begriffe noch nicht Mode waren. Heute gehört eine solche Lebens- und Geschäftsphilosophie zur „neuen Normalität“.

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Johannes Gutmann
Johannes Gutmann

Enkeltauglich wirtschaften

„Die Natur hat das beste Rezept“ und „Geht es uns allen gut, können wir auch enkeltauglich leben und wirtschaften“. Mit solchen und weiteren Weisheiten hat Gutmann sein Unternehmen immer weiter nach oben geführt und beschäftigt heute 370 Mitarbeiter. „Da wirtschaftet man wie Opa und dann nennt man es Vorreiter“, kann Gutmann irgendwie selbst seinen Erfolg kaum glauben.

Als Überraschungsgast kam dann der Synthie-Popper „Crimer“ mit seinen zwei Begleitmusikern auf die Bühne. Der Künstler, der mit bürgerlichem Namen Alexander Frei heisst, stellte vier seiner Lieder vor. Wobei er eines davon seinem Grossvater widmete. Denn der habe gewusst, dass die Wirtschaft „scho huere wichtig ischt. Drum hocki all ide Habsburg.“ Mit seiner Choreo bot er eine köstliche Show. Samt ausnehmend guter Musik. Einem Sound wie ein Crossover von Spandau Ballett, Depeche Mode und ABC.

Crimer
Crimer

Deglobalisierung und Nationalisierung

Suzanne Thoma, Verwaltungsratspräsidentin und CEO der Sulzer AG, stellte die These auf „Die Schweiz ist nicht trotz, sondern dank der Globalisierung so reich.“ Woraus sie folgerte, dass die aktuelle Deglobalisierung und Nationalisierung der Märkte für die Schweiz nicht die beste Ausgangslage für die Zukunft sei. In dieser neuen Normalität, an der so gar nichts normal sei, gehe es für die Wirtschaftstreibenden darum, zu den Grundlagen einer soliden Unternehmensführung zurückzukehren.

Haupt- und Abschlussredner war dann Alt-Bundesrat Kaspar Villiger, der zum Thema „Krisen als neue Normalität? Demokratien im Gegenwind“ sprach. Der 81-Jährige ist krisenerprobt. In seine Zeit als Bundesrat fielen die Swissair-Krise, die UBS-Krise, die Krise der nachrichtenlosen Vermögen.

Suzanne Thoma
Suzanne Thoma

Vertreter der Hoch-IQ-Generation

Köstlich seine Einleitung: Er habe sich selbst gefragt, wieso er als „alter weisser Mann“ an dieses Symposium eingeladen würde. Einem Symposium, das sich mit der Zukunft beschäftigte. Allerdings wisse er, dass der IQ der Menschheit seit den Neunzigern absinke. Da sei es doch nicht schlecht, einen der letzten Vertreter der Hoch-IQ-Generation einzuladen. Vierzig Minuten lang hörten die Besucher dann einen kaum zu bremsenden Ex-Bundesrat, der mit Lust und Laune das Thema zerpflückte.

„Die Welt sehe ich vor drei epochalen Weichenstellungen. Die Ökologie. Das Spannungsfeld zwischen Autokratien und Demokratien. Und ein grosser Gegensatz: auf der einen Seite eine stabile Weltordnung, auf der anderen eine brandgefährliche Weltunordnung. Dabei stünden die Demokratien im Gegenwind. Weil die Autokraten immer mehr Geld haben würden. Autokraten, die deutlich moderner und politisch immer präsenter sein würden.

 
Kaspar Villiger und Sonja Hasler
Kaspar Villiger und Sonja Hasler

Weniger appetitliche Partner

Künftig müssten die verbliebenen Demokratien deutlich besser zusammenhalten. Und auch eine Form der Koexistenz mit weniger appetitlichen Partnern gefunden werden.

Zuletzt verabschiedete Reinhard Frei von der galledia event die Besucher und gab einen Ausblick auf das kommende Jahr, wo das Rheintaler Wirtschaftsforum am 26.01.2024 stattfinden wird. In Bezug auf die Gäste habe er eine vage Zusage aus dem Bundeshaus. „Und dann gibt’s am Buffet dann auch Rösti!“

Arnold Graf, Guido Seitz, Sabina Saggioro, Reto Friedauer und Klaus Brammertz
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