St.Gallen

Über die Wichtigkeit der Einzigartigkeit

Über die Wichtigkeit der Einzigartigkeit
Leonhard Fopp
Lesezeit: 5 Minuten

Leonhard Fopp ist Mitgründungspartner der St.Gallen Consulting Group und der Nachfolgespezialistin Continuum AG, ebenfalls aus St.Gallen. Heute berät er mit seiner Dymas AG Unternehmen in strategischen und strukturellen Fragen. Fopp verrät, welche betriebliche Schwachstelle ihm in vier Jahrzehnten Unternehmensberatung immer wieder aufgefallen ist – und wie man sie korrigieren kann.

Leonhard Fopp, Sie wollen ein einfaches «Rezept» haben, wie finanzieller Erfolg über Jahre möglich ist. Auf LinkedIn positionieren Sie sich mit der Unternehmens-Maxime «Profil vor Profit».
Diese Kurzform meiner Maxime ist für deren besseren Verständlichkeit leicht zu ergänzen: Nur ein eigenständiges Unternehmensprofil sichert den langfristigen Erfolg.

Gilt diese Aussage generell?
Ja. Am Anfang eines Betriebes steht meistens ein visionärer Pionier und Macher mit einer erfolgreichen Geschäftsidee, die er mit höchstem persönlichem Einsatz zuerst auf den heimischen Markt bringt. Dann folgt die geografische Expansion. Dies ist primär möglich, weil auf eine Nische fokussiert wurde und die Multiplikation mit hoher persönlicher Empathie zu den Leistungsträgern draussen in der Welt stattfindet.

Das sind dann die «hidden champions».
Genau – Weltmarktführer, die in der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt sind, aber in ihrem oft sehr spezialisierten Tätigkeitsfeld die Weltbesten sind. Sie ist einzigartig und haben eine Alleinstellung im Markt. Es ist ihnen gelungen, den gefährlichen Haifischteich zu vermeiden, wo alle totgebissen werden.

«Erfolg vernebelt die im Markt stattfindenden neuen Verhältnisse.»

Dennoch gelingt es vielen nicht, auf diesem Erfolgskurs zu bleiben.
Ja, leider. Denn es ist ungeheuer schwierig, über die Jahre den Erfolg ständig zu wiederholen und immer wieder ein Plus auf den Markt zu bringen. Die Konkurrenz schläft nicht; sie beobachtet den Markt, analysiert die vorhandenen Lösungen und kopiert systematisch das beste Angebot.

Also macht Erfolg blind?
Sozusagen, Erfolg vernebelt die im Markt über die Zeit langsam stattfindenden neuen Verhältnisse. So kann immer wieder festgestellt werden, dass zu viel Lob und Gewinne in der unternehmerischen Wachstumsphase eine starke Einschränkung der Sichtweise bewirken können. Psychologen nennen diese «Krankheit» die selektive Wahrnehmung.

Ist «Never change a winning team» somit falsch?
Oft, denn so wird an den bewährten Rezepturen festgehalten. Bedauerlicherweise auch dann, wenn die Kundenbedürfnisse sich schon über eine längere Zeit in eine andere Richtung entwickeln.

  

«Das Unternehmen arbeitet weiter mit Volldampf – aber in die falsche Richtung.»

Haben Sie bekannte Beispiele?
Natürlich, etwa die Studer-Gruppe: Ich habe miterlebt, wie der charismatische Inhaber Willi Studer erfolgreich zwei Marken aufgebaut hat. Für Radiostudios die «Studer»-Aufzeichnungsgeräte und -Mischpulte und im Konsumgüterbereich die Marke «Revox». Wir alle erinnern uns an die exzellenten Tonbänder. Dann kam aus Japan über Sony die «digitale» Musik. Obwohl in Regensdorf talentierte Digitaltechniker vorhanden waren, schaffte Studer-Revox die Metamorphose nicht.

Heisst das, dass die Pioniere oft «schlapp» machen?
Nein, wir haben kaum das Problem eines Nachlassens der Unternehmensenergie. Das Unternehmen arbeitet weiter mit Volldampf – aber in die falsche Richtung. Auffällig ist, dass Veränderungen rund um die Firma intern ignoriert werden. Da wird eine seltsame Engstirnigkeit zur Tagesordnung. Die eigenen Umsatzträger werden hochgejubelt und haben einen «Heiligenschein», der nicht mehr hinterfragt wird. Das bewirkt, dass Kunden abspringen und die Firma mehr und mehr zum «08/15»-Anbieter wird.

Sie hat auf einmal keine nennenswerten Vorteile unter den Anbietern.
Genau. Wenn die Überlegenheit des eigenen Angebotes nicht mehr gegeben ist, kann öfter festgestellt werden, dass der Preis über Kauf oder Nichtkauf entscheidend. Immer mehr gewinnen Konkurrenten die Ausschreibungen. Damit kommt es neben dem Umsatzrückgang zu einer Margenerosion. Es wird zusehends weniger verdient. Damit verlässt die Firma die Wachstumsphase und gerät in eine Abwärtsspirale.

«Da wird eine seltsame Engstirnigkeit zur Tagesordnung.»

Gibt es daraus ein Entrinnen?
Ja, aber nur dann, wenn die (neuen) Unternehmenseigentümer ihre rosa Brille ablegen und eine vorurteilslose Diagnose des Marktes, des Wettbewerbes und der eigenen Firma zulassen. Meine Unternehmens-Maxime ist ja «Profil vor Profit». Denn nur wer ständig an der eigenen Eigenständigkeit am Markt arbeitet, wer sich ständig erneuert und wer in die Zukunft investiert, wird auch morgen gute Renditen erwirtschaften können.

Setzt dies nicht eine neue Denkhaltung voraus?
Ja, unbedingt. Ich nenne diesen nachhaltigen Ansatz die «Doppelte Unternehmensführung»: Es gilt, dass einerseits, dass die analytische-finanzielle Denke beibehalten wird, anderseits aber die emotional-essenzielle Dimension stark an Bedeutung gewinnt. Im 21. Jahrhundert gelten bezüglich der Unternehmensführung andere Realitäten. Der nur rational geprägte «Homo oeconomicus»-Ansatz bewährt sich nicht mehr. Vorbei ist die Periode der rein technokratisch-rational geprägten, faktenorientierten Unternehmensführung, die sich oft in der Erzielung des maximalen Gewinns manifestierte.

Somit braucht es einen neuen Arbeitsstil.
Absolut! Nicht nur Arbeitnehmer der Generation Y oder Z stellen die Sinnfrage und wollen mehr als nur Geld. Und die jüngeren Mitarbeiter fragen immer mehr nach dem Warum. Sie suchen klare Wertvorstellungen. Firmen haben auch deshalb emotionaler zu agieren und müssen ihren eigenen Ursprung und ihre «Seele» aktiver gestalten.

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Überfordert das nicht ein «klassisches» Management?
Gefragt ist eine Erweiterung des klassischen Management-Verständnisses um eine essentielle-innovative-emotionale Dimension. Firmen sollten sich auf das Wesentliche im Unternehmen zurückbesinnen und vorleben, dass der Erfolg durch einen Fokus auf die eigene DNA möglich wird. Intuition und Emotionen bekommen Relevanz. Sie sind das Salz in der Suppe und verleihen die am Markt benötigte Einzigartigkeit.

Zählen nun Rendite und Gewinn nicht mehr?
Huhn oder Ei? Zuerst ist für eine erfolgreiche Umsetzung des neuen Managementstils die Marktpositionierung des Unternehmens zentral, wo vorzugsweise in verdichteter Form des Firmenauftrittes ein leicht erkennbares Symbol/Logo verwendet wird. Einige Unternehmen haben dies toll geschafft. Apple, Mammut, Mercedes, Nike, Nestlé oder Swiss sind alles Unternehmen mit stark symbolischer Ausrichtung, die ein einprägsames «Stammes-Zeichen» haben. 

Also mehr Eigenständigkeit im Markt?
Klar. Eine Firma kann nur dann auf Dauer unternehmerische Spitzenleistungen erbringen, wenn sie ihre Eigenständigkeit authentisch im Markt positioniert. Gefragt ist «mehr Seele», auch über Urbilder und -symbole. Das neue Denken und Handeln hat sich an der betrieblichen Essenz auszurichten.

Dann benötigen Firmen mehr «Bilder» und Symbole?
Richtig. Wir brauchen «Symbole des Wandels». So wäre es ideal, wenn in der unternehmerischen Kommunikation gezielt Storys, Metaphern und Symbole eingesetzt werden.

Wie kommt eine Unternehmung zu solchen Symbolen?
Kunst kann bei betrieblichen Veränderungsprozessen wertvolle Dienste erweisen. Mit dem Einsatz starker Symbole lässt sich insbesondere die ganze Kommunikationsarbeit auf einen gemeinsamen, leicht einprägsamen Nenner reduzieren. Eine Möglichkeit ist der Beizug von spezialisierten Künstlern, etwa Symbolmanager Franz Widmer. So machen wir mit Firmen zuerst Workshops, um die betriebliche Essenz zu erfassen und Leitsätze zu formulieren. In einem zweiten Arbeitstreffen kann dann eine unternehmensspezifische Skulptur durch den Künstler oder ein internes Team unter Anleitung fertiggestellt werden. 

Und was dann?
Ich empfehle, dass ein gemeinsam erstelltes Kunstwerk in der Firma im Eingangsbereich aufgehängt wird, dass in der Hauszeitung Berichte dazu stattfinden, dass der Internet-Auftritt damit emotional aufgerüstet wird und es in den Führungsinstrumenten und in der Kommunikation Bedeutung erhält.

Geht es auch anders?
Sicher. Aber ohne nachhaltige Erfolgsgarantie. Ich bin überzeugt, dass in jeder Firma zur Stärkung der eigenen Eigenständigkeit essenzielle Botschaften emotional zu verteilen sind, mithilfe von Symbolen, Claims, Geschichten und dem Einsatz von Kunst.

Text: Stephan Ziegler

Bild: Marlies Beeler

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