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«Förmlich explodiert»

«Förmlich explodiert»
Eric von Ballmoos: Bis zu zwölf Gigawattstunden Stromverbrauch.
Lesezeit: 4 Minuten

Steigende Energiepreise beschäftigen alle Industrieunternehmen. Besonders betroffen ist aber die MEM-Industrie, die in der Ostschweiz stark vertreten ist. Der Krieg in der Ukraine birgt neue Unsicherheiten. Die Benninger Guss AG produziert schon seit 1873 Teile in diversen Eisen-Kohlenstoff-Legierungen in Uzwil. CEO Eric von Ballmoos kennt das Problem «steigende Energiepreise» genau.

Eric von Ballmoos, wieviel machen die Energiepreise prozentual bei einem Gussteil aus Ihrem Hause aus?
Das hängt von der Bauteilgrösse ab. Wir schmelzen in Fünf-Tonnen-Öfen und verteilen die Chargen an verschiedene interne Produktionseinheiten. Die Energiekosten können also je nach Bauteilgrösse und Gewicht zwischen fünf und 30 Prozent betragen.

«Auf der kurzen Schiene ist ein Wechsel nicht möglich.»

Können Sie die gestiegenen Energiepreise an die Kunden weitergeben?
Wir müssen diese weiterverrechnen! Die Kosten werden über einen variablen Preisbestandteil weitergegeben. Dieser Index beinhaltet diverse Komponenten und wird über das Teilegewicht mit Franken pro Kilo verrechnet. Die Grundpreise bleiben somit unverändert und die Mehrkosten auf diese Weise laufend (quartalsweise) angepasst. Dieser Index wird für unsere Kunden auf unserer Webseite veröffentlicht.

Wieviel Energie verbraucht die Benninger Guss AG jährlich im Schnitt?
Weil wir unsere Tiegelöfen per Mittelfrequenz-Induktionstechnik, also elektrisch, beheizen: Zwischen zehn und zwölf Gigawattsunden, also zehn bis zwölf Millionen Kilowattsunden. Das entspricht rund 750 000 Franken. Hinzu kommt ungefähr der gleiche Betrag für die Netznutzung. Zum Vergleich: Ein durchschnittlicher Vier-Personen-Haushalt braucht pro Jahr rund 4000 Kilowattstunden.

Woher beziehen Sie Ihre Energie?
Unser Netzbetreiber ist die SAK. Den Strom beziehen wir aber über die Strombörse: Ein spezialisierter Broker kauft für uns den Strom quartalsweise ein. Es werden Ausschreibungen gemacht, auf welche die diversen Stromlieferanten ihre Angebote einreichen können.

Wie flexibel ist Ihr Energieanbieter in Bezug auf die Preise?
Wir haben den Vorteil, dass wir den Stromlieferanten aufgrund der Angebote auswählen können. Der Strompreis wird an der Börse gehandelt und wir können einkaufen, wann und bei wem wir wollen. Das hilft uns etwas, die Preise so tief wie möglich zu halten. Weil aber viele Grossverbraucher so einkaufen, steigen die Preise parallel zu denjenigen, die auch Kleinverbraucher bezahlen müssen.

Könnten Sie Ihren Energieanbieter überhaupt wechseln, falls Sie wollten?
Den Netzbetreiber können wir nicht wechseln, da sind wir seinen Kosten ausgeliefert. Die Netz- und die Stromkosten machen ungefähr je 50 Prozent der Gesamtenergiekosten aus. Bei den direkten Stromkosten können wir jederzeit frei wählen, was ein Vorteil ist.

Falls es tatsächlich zu einem Energieengpass kommen sollte und Gas und/oder Öl in der Schweiz knapp würden: Könnten Sie ausweichen?
Gas und Öl ist für uns weniger kritisch, das macht uns weniger Sorgen. Grosse Sorgen haben wir allerdings bei der Stromversorgung in unserem Land: Vom Bund unabhängige Experten haben ausgerechnet, dass wir vor allem in den kalten Jahreszeiten, mindestens zehn Terrawattstunden, also zehn Milliarden Kilowattstunden, zu wenig Strom haben werden. Dies ist nur mit erneuerbaren Energien nicht wettzumachen! Zudem vergisst man beim Thema CO2-Reduktion, dass Wärmepumpen, Elektroautos und vieles mehr, was aktuell im Trend liegt, Strom benötigen. Da stecken wir meiner Meinung nach in einem riesigen Dilemma. Die Energiestrategie des Bundes beurteile ich als unrealistisch.

Wie siehts mit den Rohmaterialpreisen aus, wie sehr leiden Sie hier unter Kostensteigerungen?
Diese sind förmlich explodiert! Die Preissteigerungen waren schon vor Kriegsausbruch zu spüren. Mit dem Krieg in der Ukraine hat sich dies auf die Beschaffung nochmals negativ ausgewirkt. Wir können die Versorgung sicherstellen, dies aber zu horrenden Preisen. Roheisen, Stahlschrott, Legierungsmittel wie Kupfer oder Nickel, aber auch Chemikalien sind zum Teil bis auf das Doppelte des ursprünglichen Preises gestiegen. Etwas entschärft wird die Situation dadurch, dass wir vieles in Euro einkaufen. Da hilft der starke Franken.

 

«Wir können die Versorgung sicherstellen, dies aber zu horrenden Preisen.»

Woher beziehen Sie Ihre Rohstoffe?
Aus verschiedenen Regionen und Quellen. Stahlschrott wird überregional beschafft, Roheisen über Händler aus Brasilien und vieles wird in Deutschland eingekauft. Bei vielen Rohstoffen sind die Beschaffungsmöglichkeiten aufgrund der wenigen spezialisierten Anbieter eingeschränkt; man ist diesen also weitgehend ausgeliefert.

Sie können also nicht auf andere Quellen ausweichen?
Das ist eine ständige Aufgabe unserer Einkaufsleitung, neue Beschaffungsquellen ausfindig zu machen. Jedoch müssen Alternativprodukte unseren Spezifikationen standhalten und können erst nach Produktionstests freigegeben werden. Auf der kurzen Schiene ist ein Wechsel also nicht möglich.

Sind die Preise hier «nur» wegen des Krieges in der Ukraine gestiegen, oder könnte hier auch teilweise Spekulation im Spiel sein?
Spekulation ist leider auch im Spiel. Ich unterstelle einigen Lieferanten, dass in diesem Zusammenhang die Margen aufgebessert werden.

Können teilweise Rohmaterialien auch ausgetauscht werden, also neue Legierungen mit weniger knappen Rohstoffen gefunden werden, die als «Ersatz» dienen können?
Ganz ausschliessen will ich das nicht, es wäre aber – wenn überhaupt – nur begrenzt möglich.

«Spekulation ist leider auch im Spiel.»

Wenn die Einkaufspreise für Energie und/oder Rohstoffe sinken, senkt Benninger dann wieder ihre Preise?
Ja. Das geschieht automatisch über den variablen Preiszuschlag. Die Grundpreise bleiben unverändert, und die Mehr- oder Minderkosten werden über den variablen Preisfaktor abgehandelt.

Und wann, denken Sie, wird diese Entspannung eintreten?
Wenn man das wüsste … Das Kriegsende wird ein entscheidender Faktor sein. Ich rechne aber nicht mit einer Entspannung vor dem ersten oder gar zweiten Quartal 2023.

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