Wirtschaft

Weltweit das Augenlicht erhalten

Weltweit das Augenlicht erhalten
Thomas Bosshard
Lesezeit: 5 Minuten

Grauer Star, Glaukom und Netzhautprobleme lassen sich mit Oertli-Systemen behandeln. Die Ophthalmologie-Produkte «Made in Berneck» sind auf der ganzen Welt begehrt. Warum das so ist, weshalb die Oertli Instrumente AG 30 Millionen Franken in eine neue «Lean Factory» investiert und er sich in der Jury des WTT Young Leader Awards engagiert, verrät Co-CEO und Mitinhaber Thomas Bosshard im LEADER-Gespräch.

 

Thomas Bosshard, im Juli bezieht die Oertli Instrumente AG ihre neue «Lean Factory». Ein Bekenntnis zum Standort Schweiz?
Definitiv! Diese Entscheidung basiert jedoch nicht auf Heimatgefühl, sondern auf fester Überzeugung. Wir haben hier Zugriff auf hochqualifizierte Arbeitskräfte und ein hervorragendes technologisches Ökosystem. Die politische Stabilität des Landes, die ausgezeichneten Ausbildungssysteme und die Zusammenarbeit mit lokalen Hochschulen bieten zudem ideale Bedingungen für unsere Tätigkeit. Auch hat das Label «Made in Switzerland» international nach wie vor eine starke Bedeutung. Dazu kommt ein entscheidender Faktor, der oft unterschätzt wird: Viele unserer Mitarbeiter haben ihren Lebensraum hier, auch wir haben tiefe Wurzeln im St.Galler Rheintal. Diese Verbundenheit mit dem Standort und den Menschen bestärkt unsere Entscheidung für den Standort Berneck zusätzlich.

Stand eine Produktion im Ausland nie zur Diskussion?
Wir haben diese Möglichkeit grob geprüft, die Idee aber schnell wieder verworfen. Unser Produktportfolio ist stark vernetzt und voneinander abhängig – Forschung und Entwicklung, Produktion, Beschaffung, Produktmanagement, Process Engineering, Quality oder Regulatory Affairs müssen eng zusammenarbeiten. Daher sind kurze Wege wichtig. Wir müssen die Dinge nicht billiger, sondern cleverer machen. Das bedeutet, dass wir unsere Prozesse schlank und effizient organisieren, die Möglichkeiten der Automatisierung nutzen, durchgängige Prozesse schaffen und dabei agil unterwegs sind. Eine Erweiterung an unserem bestehenden Standort ist dazu ideal und reduziert die Komplexität massiv. Weiterhin alles unter einem Dach zu haben, ist ein Glücksfall.

Und warum «Lean Factory», was ist daran besonders schlank?
Sie ermöglicht es uns, alle Kernbereiche – von der Entwicklung über die Wertschöpfung bis zum Vertrieb – unter einem Dach weiterzuentwickeln. Alles in unserer neuen Anlage wird aufeinander abgestimmt, insbesondere der Warenfluss. Wir haben sehr kurze Wege konzipiert, wodurch Instandhaltung oder Process Engineering nahe an den wertschöpfenden Linien sind. Des Weiteren sind Bereiche wie Beschaffung, Demand Planning oder Quality mittendrin im Gestehungsprozess. Dies ermöglicht einen schnellen Informationsaustausch und schafft ideale Bedingungen für eine bereichsübergreifende Zusammenarbeit. Die «Lean Factory» ist so ausgelegt, dass wir deutliche Mengensteigerungen bewältigen können. Ferner haben wir mit dem «Oertli Square» im obersten Geschoss einen Ort geschaffen, der Kunden, Vertriebspartner und Angestellte in einem Ökosystem zusammenbringt. Es ist ein Raum für Austausch, Zusammenarbeit, Befähigung und Innovation.

 

  

«Wir konnten fast 100 neue Stellen schaffen und besetzen.»

Oertli ist auf Augenheilkunde spezialisiert, liefert Geräte, Instrumente und Verbrauchsmaterialien in Operationssäle auf der ganzen Welt. Was macht Oertli-Produkte so begehrt?
Innovation, Qualität und Dienstleistung! Erstens bieten unsere Produkte in der Augenheilkunde sehr hohe Performance, Langlebigkeit und Qualität. Sie sind einfach in der Bedienung, zuverlässig und technologisch führend. Zweitens bieten wir nicht nur Produkte, sondern auch eine hervorragende Dienstleistung im Operationssaal. Unsere starke Applikation und Betreuung des Arztes und des Operationspersonals setzen uns von vielen Mitbewerbern ab. Drittens sind wir ein Familienunternehmen, in dem die Eigentümer aktiv im Unternehmen arbeiten. Das schafft Berechenbarkeit, Kundenzentrierung und Vertrauen.

Sie stehen in Konkurrenz zu multinationalen Konzernen wie Bausch & Lomb oder Alcon. Wie können Sie sich gegen die «Grossen» behaupten?
Unsere Stärke liegt im Fokus auf die Chirurgie mit Geräten, Instrumenten und Verbrauchsmaterialien für die Katarakt-, Netzhaut- und Glaukomchirugie. Diese starke Spezialisierung führt zu einem umfangreichen Know-how und vor allem einer hohen Kontrolle über den gesamten Prozess, von der Herstellung bis zur Anwendung. Wir bieten technologisch hochstehende Produkte an, das ist ein Teil unserer Strategie. Ebenso wichtig ist die enge Betreuung im Operationssaal. In beiden Bereichen sind wir sehr kompetent und differenzieren uns durch langfristiges Engagement. Wir verfolgen seit Jahren beharrlich unsere Strategie. Das Vertrauen in unsere Marke ist dadurch enorm hoch.

Ich nehme an, Oertli kämpft wie so viele Hightech-Betriebe mit dem Fachkräftemangel?
Absolut. Dennoch können wir erfolgreich Personal rekrutieren, und zwar in allen Bereichen. Dabei geht es uns nicht nur um Fachkräfte: Wir legen grossen Wert auf die Menschen in allen Disziplinen, insbesondere auch in der Fertigung. Insgesamt konnten wir in den vergangenen Jahren fast 100 neue Stellen schaffen und besetzen, was zur Erweiterung unserer Kapazitäten auch zwingend notwendig war.

 

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Und was tun Sie, um stets genügend qualifizierte Mitarbeiter zu haben?
Statt zu jammern, nehmen wir unsere Aufgabe wahr, eine attraktive Arbeitgeberin zu sein. Wir sind stolz auf unsere Arbeit, weltweit das Augenlicht zu erhalten – eine Tätigkeit, die für viele Arbeitnehmer sowohl sinnstiftend als auch spannend ist. Dann investieren wir aktiv in den Aufbau unserer Arbeitgebermarke, in die Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeiter und in unsere Unternehmenskultur, die Führung, Zusammenarbeit und Vertrauen fördert. Schliesslich spricht auch unsere Investition in neue Infrastrukturen für uns als Arbeitgeberin.

Sie haben im März 2022 eine Co-Führung zusammen mit Ihrem Bruder Christoph implementiert. Warum?
Um den gewachsenen Anforderungen der heutigen schnelllebigen Zeit gerecht zu werden. Die Zuständigkeiten sind klar aufgeteilt: Christoph ist für Operations, Engineering und Services verantwortlich, ich für Commercial, Innovation & Technology. Durch die geteilte Führung kann eine effiziente Verarbeitung der Vielzahl an Informationen gewährleistet werden. Die kooperative Führungsstruktur stellt sicher, dass die Last, ein Unternehmen in der Grösse der Oertli zu leiten, verteilt wird und so agiler auf Veränderungen reagiert werden kann.

Sie engagieren sich in der Jury des WTT Young Leader Awards, der heuer am 30. Oktober in St.Gallen über die Tonhalle-Bühne geht. Warum dieses Engagement für die Talente von morgen?
Als Absolvent der FH St.Gallen, heute OST, habe ich die Praxisprojekte und die Verschmelzung von Theorie und Praxis sehr geschätzt. Ich bin überzeugt, dass diese Verbindung von Studium und Arbeitswelt eine grundlegende Voraussetzung für die erfolgreiche Anwendung des erworbenen Wissens ist. Des Weiteren ist mir die Förderung der Wirtschaft in der Ostschweiz ein Anliegen. Um die Wertschöpfung in unserer Region sicherzustellen, brauchen wir die Arbeitskräfte von morgen. Der WTT Young Leader Award leistet dazu einen super Beitrag, indem er junge Talente fördert und ihnen und den auftraggebenden Unternehmen Sichtbarkeit gibt.

 

  

«Weiterhin alles unter einem Dach zu haben, ist ein Glücksfall.»

Sie haben 2016 selbst eine Studie bei einem Studententeam der OST in Auftrag gegeben; es sollte herausfinden, warum sich Kunden hauptsächlich für Oertli entscheiden. Dabei kam heraus, dass die Qualität vor dem Preis rangiert. Welche Konsequenzen hat Oertli daraus gezogen?
Die Erkenntnisse flossen in unsere Strategieüberarbeitung mit ein. Wir haben erkannt, dass Qualität grundsätzlich vor Preis steht, was in unserer Ausrichtung eine wesentliche Rolle spielt. Qualität, Innovation und Kundendienst sind die Eckpfeiler unserer Unternehmensstrategie und unseres Erfolgs. Diese Ausrichtung erlaubt es uns auch, trotz starkem Preisdruck Erlöse über dem Marktdurchschnitt zu erzielen. Dieses Bewusstsein ist wichtig, um unsere Position im Markt zu stärken.

Was schätzen Sie besonders an den Praxisprojekten der OST?
Die unmittelbare Verbindung zur Praxis und die Zusammenarbeit mit den Studenten. Der Austausch und das Lernen von aktuellen Methoden bereichern mein Wissen und mein Verständnis. Die Möglichkeit, die jungen Leute zu befähigen und meine Erfahrungen weiterzugeben, bereitet mir grosse Freude. Zudem bringen Studenten oft neue Aspekte ein, die ich bisher nicht in Betracht gezogen hatte.

Zum Schluss: Man sagt, dass rund 50 Prozent der Schweizer Bevölkerung früher oder später an Grauem Star erkranken. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich mit einem Oertli-System behandelt werde?
Wenn Sie in der Schweiz einen grauen Star operieren müssen, liegt die Chance bei 60 Prozent, dass Sie mit Produkten aus dem Hause Oertli operiert werden – entwickelt und produziert im St.Galler Rheintal.

Text: Stephan Ziegler

Bild: Thomas Hary

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