Verheerende Folgen vermeiden

Marco Ferigutti, Philipp Maggiorini, ich will wissen, wie viel mein Unternehmen wert ist, weil ich es weitergeben will. Wie komme ich zu einer marktgerechten Bewertung?
Diese Frage wird generell zu früh gestellt. Es gibt im Nachfolgeprozess wichtigere Themen als den Marktpreis! Auch stellt sich bei vielen Nachfolgen im Laufe der Zeit heraus, dass der Kaufpreis gegenüber Prozessbeginn an Wichtigkeit verliert. Aber zu Ihrer Frage: Am meisten zu einer marktgerechten Bewertung können Sie selbst beitragen, indem Ihr Unternehmen über ein aussagekräftiges, konsistentes und transparentes Rechnungs- und Planungswesen und über verlässliche Aufzeichnungen wie etwa von einer Revisionsstelle geprüfte Jahresrechnungen verfügt. Eine objektive Beurteilung der Produkte und Dienstleistungen und der Marktaussichten gehört auch dazu. Mit diesen Unterlagen sind Fachspezialisten gut in der Lage, einen Marktwert zu ermitteln. Wobei ich gleich noch anbringen möchte: Bewertung ist nicht gleich Preis!
«Es gibt im Nachfolgeprozess wichtigere Themen als den Marktpreis.»
Marktwert und Vorstellung des Verkäufers klaffen aber oft auseinander, weil der Patron sein Lebenswerk zu hoch einschätzt.
MF: Ja, weil er etwa seine aufgewendete Energie, seine verpasste Familienzeit oder die gescheiterte Ehe einrechnet. Da ist es aber Aufgabe des Prozessbegleiters, diese Vorstellungen bereits vor der Marktansprache zu korrigieren. Wird das unterlassen, weil man denkt, «der gibt dann schon noch nach», kann das verheerende Folgen im späteren Prozessverlauf haben. Ich habe aber auch schon erlebt, dass der Patron von der Bewertung positiv überrascht war und schlussendlich sein Unternehmen günstiger – nämlich zu dem Preis, den er sich vorgestellt hatte – verkauft hat.
Wenn der Unternehmer seinen Betrieb familienintern weitergibt: Geschieht das zum Marktpreis, zu einem reduzierten Preis – oder wird das Unternehmen gar verschenkt?
PM: Da haben wir schon alle drei Varianten erlebt. Es kommt ganz auf die Zusammensetzung und die Verhältnisse in der Familie an: Wie viele Kinder hat die Familie? Sind losgelöst vom Unternehmen noch weitere Vermögenswerte vorhanden, mit denen allfällige Geschwister ausgeglichen werden könnten? Ist genug Vermögen vorhanden, um bis ans Lebensende ohne finanzielle Sorgen zu sein? Wie ist das Verhältnis in der Familie und welchen Stellenwert nimmt das Unternehmen ein? Auch spielen die verschiedenen Persönlichkeiten und Glaubenssätze eine Rolle – wie etwa: «Ich musste hart arbeiten, um das Unternehmen aufzubauen. Warum soll ich es günstig hergeben oder gar verschenken?»
Bleibt die Rechtsform in der Regel bestehen?
MF: Auch das ist ganz unterschiedlich. Werden juristische Personen (GmbH, AG) in die Nachfolge gegeben, bleiben sie in der Regel bestehen. Einzelfirmen ändern oft die Rechtsform.
Kann es sich auch lohnen, eine Firma vor der Weitergabe in verschiedene Unternehmen aufzusplitten?
PM: Das kommt oft vor, zum Beispiel, wenn ein Unternehmen verschiedene Bereiche in einer einzigen juristischen Person führt. Hier können Unternehmensteile vor der Nachfolge in separate Unternehmen ausgegliedert werden. Auch werden nicht selten Liegenschaften entnommen, um ein Unternehmen überhaupt verkäuflich zu machen (Substanz!).
Dann gibt es da ja auch noch rechtliche Stolpersteine …
MF: Oh ja! Die gängigsten sind vermutlich die indirekte Teilliquidation, die Transponierung und die Mitarbeiterbeteiligung beim Steuerrecht. Das betrifft Vertrags-, Immaterialgüter-, Arbeits- und Gesellschaftsrecht.
Ist eine Firmenweitergabe also ohne treuhänderischen und/oder anwaltschaftlichen Beistand nicht zu schaffen?
PM: Es kann zu schaffen sein, aber grundsätzlich lohnt sich der Beizug externer Fachleute immer. Das bietet Gewähr dafür, dass an alles gedacht wird und Probleme nicht umschifft oder unterdrückt, sondern gelöst werden. Denn meistens geht es nicht nur um die übergebende und die übernehmende Partei, sondern es sind immer auch andere Betroffene vorhanden – wie Mitarbeiter, deren Familien, Lieferanten oder Kunden. Da ist es wichtig und richtig, dass man sich von Profis unterstützen lässt. Oder reparieren Sie die Bremsen an Ihrem Auto selbst?
«Reparieren Sie die Bremsen an Ihrem Auto selbst?»
Und worauf muss ich achten, um möglichst steuergünstig «davonzukommen»?
MF: Dass Ihr Unternehmen eine Rechtsform aufweist, die einen privaten steuerfreien Kapitalgewinn zulässt! Zudem müssen Sie bereits während Ihrer Zeit als Unternehmer daran denken, dass Sie das Unternehmen dereinst weitergeben wollen. Das heisst, überlegen Sie sich, ob die Betriebs- und die Kapitalanlage-Liegenschaft, die Ferienwohnung und der restaurierte Oldtimer wirklich ins Unternehmen gehören. Achten Sie auch darauf, dass Sie sich frühzeitig mit der Nachfolge befassen. Es kann sein, dass vorab Entnahmen oder Umstrukturierungen notwendig sind. Da können steuerliche Sperrfristen entstehen! Rechnen Sie solche Spezialitäten in Ihren Zeitplan ein.
Bei einer Firmenübergabe gibt es firmeninterne, familieninterne oder externe Lösungen. Mit welcher haben Sie es am meisten zu tun?
PM: Das hat sich in den letzten Jahren gewandelt. Aus unserer Wahrnehmung haben die familieninternen Lösungen zugunsten der firmeninternen und der externen Lösungen abgenommen. Ganz aktuell überwiegen bei uns die externen Lösungen.
Ist es einem Unternehmer wichtig, was mit seinem «Baby» geschieht, etwa mit den Mitarbeitern, oder zählt in der Regel nur die erfolgreiche Übergabe, sprich das Geld?
MF: Wir können diese Frage nur mit Blick auf die Nachfolgeregelung im KMU beantworten. Also dort, wo Kapitalgeber und Geschäftsführer identisch sind oder mindestens in einer engen Beziehung zueinander stehen. Da ist es der übergebenden Partei schon wichtig, was mit dem Baby und den Menschen dahinter passiert. Natürlich: Keine Regel ohne Ausnahme, aber der Patron, wie Sie ihn zu Beginn erwähnt haben, hat meist eine enge Verbindung zum Unternehmen und den Menschen, die dazu gehören.
Zum Schluss: Was empfehlen Sie einem Unternehmer als erstes, wenn er an eine Übergabe denkt?
PM: Dass eine Vertrauensperson vorhanden ist, mit der die ersten Überlegungen zur Nachfolge geteilt und gespiegelt werden können. Da kommen auch oft ganz persönliche Themen zu Sprache, die man nicht mit einem «Fremden» besprechen möchte. Danach ist sicher der Gang zu einem professionellen Nachfolgebegleiter angebracht. Sprechen Sie mit zwei, drei Anbietern und entscheiden Sie danach, mit wem Sie den Weg beschreiten möchten.