«Das A und O ist Glaubwürdigkeit»

«Das A und O ist Glaubwürdigkeit»
Anita Schweizer
Lesezeit: 8 Minuten

In der Bankenwelt ist das Korsett an Regulierungen und Vorschriften eng wie kaum sonst irgendwo. Das bestimmt auch das Kommunikationsverhalten: Für Anita Schweizer, die langjährige Leiterin der Unternehmenskommunikation der Thurgauer Kantonalbank, geht es in der Kommunikation um Vertrauensbildung.

«Die Menschen haben gerne einfache Antworten auf komplexe Fragen», sagt Anita Schweizer, «das macht die Kommunikation in der heutigen Zeit sehr anspruchsvoll.» Die Leiterin der Unternehmenskommunikation der Thurgauer Kantonalbank (TKB) ist schon über 20 Jahre in dieser Funktion tätig und beobachtet, dass das Informationsbedürfnis «sicher höher geworden ist». Gleichzeitig gab es grosse Veränderungen in der Medienlandschaft, es gibt rein zahlenmässig weniger Medien. «Für uns ist die Thurgauer Zeitung nach wie vor das wichtigste Medium. Aber in der Breite verlieren klassische Medien an Bedeutung, weil es andere Möglichkeiten gibt.» Viele Medien hätten heute weniger Raum für ausführliche, hintergründige Geschichten, dafür nehme die Zuspitzung und die Personalisierung zu. «Ich bin immer wieder überrascht, worauf die Medien manchmal anspringen und was bei den Redaktionen durchfällt», sagt Anita Schweizer, betont aber, dass ihr Team stets Professionalität anstrebe: «Wir beantworten, wenn immer möglich, jede Medienanfrage.» Fairness gegenüber den Medien sei ihr wichtig, was auch eine Gleichbehandlung bedeute. «Was gerade auf nationaler Ebene läuft, bestärkt mich in diesem Grundsatz», meint Anita Schweizer mit einem Blick auf mögliche Kommunikationslecks im Departement von Bundesrat Alain Berset. Komplexe Zusammenhänge einfach darzustellen, sei eine grosse Herausforderung. Der Entscheid, ob jemand eine Information überhaupt liest oder anschaut, werde innert Sekunden getroffen – «ich hätte gerne ein Rezeptbuch, wie man damit umgehen kann», sagt die erfahrene Kommunikationsspezialistin, die täglich damit umgeht. Dabei hat sie die Erfahrung gemacht: Je grösser das grundsätzliche Interesse und das Wissen des Gegenübers ist, desto eher kann man jemandem auch vertiefte Hintergrundinformationen geben.

  

Konsistente Botschaften

«Die Thurgauer Kantonalbank gibt es seit über 150 Jahren, Kontinuität war und ist uns wichtig; auch in der Kommunikation», sagt Anita Schweizer. Als führendes Bankinstitut im öffentlich-rechtlichen Kleid stehe die TKB stärker im Fokus der Öffentlichkeit als andere Unternehmen. Wesentlich sei die Konsistenz und Klarheit der Botschaften, man müsse die Anspruchsgruppen kennen, deren Positionen und Anliegen gut verstehen und berechenbar bleiben. «Es geht um Verständnis und Vertrauen», umschreibt Anita Schweizer ihre Vorstellung von Kommunikation. Vertrauensbildung sei wichtig, «das A und O ist Glaubwürdigkeit.» Während Marktkommunikation und Werbung auf den Absatzmarkt ausgerichtet seien, adressiere die Unternehmenskommunikation in erster Linie den Meinungsmarkt. «Es geht nicht um den Vertrieb von Produkten und Dienstleistungen, sondern darum, das Handeln der Bank nachvollziehbar zu machen.»

«Intern vor extern ist ein wichtiger Grundsatz in der Kommunikation.»

Gute Zusammenarbeit

Muss man also Kommunikation und Marketing im Organigramm trennen? «Bei uns sind diese Disziplinen in verschiedenen Bereichen angesiedelt», sagt Anita Schweizer, fügt aber an: «Wichtig ist, dass man im Alltag gut zusammenarbeitet.» Sie illustriert dies anhand eines Beispiels: Wenn die TKB nach dem Umbau einer Geschäftsstelle zu einem Tag der offenen Tür einlade, dann werde dieser Anlass vom Marketing organisiert. Diese Abteilung sorge auch für die Information der Kunden, die Unternehmenskommunikation bediene die Medien mit Informationen und stelle sicher, dass die Social-Media-Accounts bespielt würden. «So erzielen wir gemeinsam mehr Wirkung», sagt Schweizer. Die TKB lege Wert darauf, die zentralen Kommunikationsaktivitäten durch eigene Spezialisten abdecken zu können. Das sei ein grosser Vorteil. Natürlich arbeite die Bank aber auch mit Agenturen zusammen. Im Bereich der Unternehmenskommunikation erachtet Schweizer den direkten Draht zur obersten Führungsebene als essenziell. Dies sei eine zentrale Voraussetzung, um professionell auf Ereignisse reagieren und rasch entscheiden zu können. So ist die Unternehmenskommunikation bei der TKB direkt dem Vorsitzenden der Geschäftsleitung unterstellt. Die Unternehmensberichterstattung, die Sicherstellung der Medienarbeit, die Bewirtschaftung der Social-Media-Kanäle oder die Herausgabe der Mitarbeiter-Zeitschrift sind neben der Medienarbeit wesentliche Aufgaben der Unternehmenskommunikation. «Bei allen Massnahmen brauche es klare und adressatengerechte Botschaften», erklärt Anita Schweizer. Dafür stehe man jeweils mit den Fachabteilungen der Bank im Kontakt. Beim Geschäftsbericht gelte es zudem, den umfangreichen gesetzlichen Anforderungen Rechnung zu tragen.

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Nächste Themen antizipieren

Zum guten Handwerk, quasi zum Einmaleins der Unternehmenskommunikation, gehören auch vernetztes Denken und die Beobachtung von Themen, wie Anita Schweizer erklärt. «Wir schätzen ab, welche Entwicklungen relevant werden können, und antizipieren, was das für uns bedeuten könnte. Haben wir eine Position dazu? Sagen wir gegebenenfalls aktiv etwas dazu oder nur reaktiv?» Zu den Aufgaben des Kommunikationsteams gehöre es auch, in Szenarien zu denken und Führungskräfte bei der Wahl der Kommunikationsstrategie beraten zu können, «das ist eine wichtige Fähigkeit». Die Unternehmenskommunikation definiere auch Eskalationsstufen und lege fest, wer zu welchem Thema zu welchem Zeitpunkt Stellung nimmt. «Auch das ist ein Gradmesser für Glaubwürdigkeit.»

Frühzeitig eingebunden

Anita Schweizer selbst hat im Organigramm der TKB eine Doppelrolle, sie ist auch Generalsekretärin. «Beide Funktionen ausüben zu dürfen, sehe ich als grossen Vorteil – auch für die Bank.» Die Chefin der Unternehmenskommunikation ist so in den obersten Entscheidungsgremien dabei. Sitzungen der Geschäftsleitung betreut sie aus Kapazitätsgründen nicht mehr selbst, sie protokolliert aber die Sitzungen des Bankrats (Verwaltungsrat). «Dadurch bin ich dabei, wenn Entscheide getroffen werden, und kann die Kommunikation schon früh ansprechen», sagt Anita Schweizer. «Für die Festlegung der Kommunikationsstrategie ist es wichtig, dass man die Hintergründe für Entscheide kennt.»

«Wir können nicht postulieren, dass Public Relations eine zentrale Führungsdisziplin sind, ohne dass wir das nötige Know-how mitbringen.»

Börsenkonform kommunizieren

Eine grosse Veränderung für die Kommunikation der Thurgauer Kantonalbank war der Gang an die Börse im Jahre 2014. Zwar ist die TKB im Gegensatz etwa zur Nachbarin in St. Gallen keine Aktiengesellschaft, eine solche Umwandlung wurde vor 20 Jahren vom Thurgauer Stimmvolk abgelehnt. Dennoch sind heute 20 Prozent des Gesellschaftskapitals im Publikum platziert – als Partizipationsscheine, die im Gegensatz zu einer Aktie ohne Stimmrecht sind. Der Kanton hält 80 Prozent des Kapitals, aber nach wie vor 100 Prozent der Stimmen. Als börsenkotiertes Unternehmen muss die TKB eine ganze Reihe von Auflagen der Schweizer Börse einhalten; auch in der Kommunikation. Das benötige ein breiteres Wissen und absorbiere auch mehr Ressourcen. Zudem seien neue Anspruchsgruppen hinzugekommen wie beispielsweise Finanzanalysten oder Investoren. Unter anderem müssen potenziell kursrelevante Tatsachen ausserhalb der Börsenzeiten kommuniziert werden – und zwar gleichzeitig an alle Anspruchsgruppen, intern und extern. «Somit können wir nicht mehr intern vorinformieren», bedauert Anita Schweizer. «Dabei wäre ‹intern vor extern› eigentlich ein wichtiger Grundsatz in der Kommunikation.»

  

Sorgfältige interne Kommunikation

Wenn die TKB börsenrelevante Ereignisse kommuniziere, tue sie es in der Regel morgens um sieben Uhr und nicht abends nach Börsenschluss. So sei die Erreichbarkeit für Medien und Investoren gewährleistet. Und auch im Mitarbeiterkreis könne bei Bedarf noch nachgedoppelt werden mit zusätzlichen Informationen. Die langjährige Kommunikationsspezialistin kennt noch das Bonmot, wonach man nichts über das eigene Unternehmen aus der Zeitung erfahren sollte. «Die interne Kommunikation ist zentral, denn die Mitarbeiter sind die wichtigsten Botschafter eines Unternehmens.» Bankintern verbreitet die TKB Informationen via Intranet, auf das alle 800 Mitarbeiter Zugriff haben. Je nach Ereignis versende man parallel eine Mail mit ergänzenden Informationen für die Führungskräfte. «Wenn der Kern der börsenrelevanten Information einmal publik ist, kann man einzelne Anspruchsgruppen auch noch mit vertiefenden Informationen bedienen», erklärt Anita Schweizer und führt als Beispiel die Kommunikation des Jahresabschlusses an. «Die zentrale Information wird frühmorgens intern und extern publiziert, und gegen Mittag erläutern wir dann an einer Medienkonferenz die Details.» Vorher werde oftmals noch eine Führungskonferenz angesetzt und an den Folgetagen orientiere man an der jährlichen Mitarbeiterkonferenz ein weiteres Mal über die Zahlen.

Direkter Dialog

Welche Kanäle für die Kommunikation ideal sind, ist heutzutage angesichts der vielfältigen Möglichkeiten nicht immer klar. Bei der TKB allerdings gibt es klare Vorstellungen: «Der wichtigste Pfeiler unserer Kommunikationsstrategie ist – wo immer möglich – der direkte Dialog», sagt Anita Schweizer. «Die überschaubare Grösse der TKB ist dabei ein grosser Vorteil.» Ein multinationales Unternehmen könne das nicht im gleichen Ausmass umsetzen. «Wir dagegen haben hier eine Stärke und kennen unsere wichtigsten Ansprechpersonen persönlich», sagt Anita Schweizer. Auch intern seien die Wege kurz. «Die zweite Führungsebene umfasst weniger als 50 Personen, das ist eine überschaubare Zahl. Bei Bedarf sind alle in kurzer Zeit am Hauptsitz in Weinfelden für einen Informationsaustausch.»

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Güterabwägung und Interessenausgleich

Die Rolle der Kommunikation und deren Arbeit würden im Alltag oft unterschätzt, beobachtet Anita Schweizer. Für eine fundierte Kommunikation müsse man zudem frühzeitig einbezogen werden – darauf gelte es immer wieder zu sensibilisieren. «So können wir auf kommunikative Knackpunkte hinweisen und mögliche Konsequenzen aufzeigen», betont Schweizer. Man müsse im Kommunikationsberuf aber auch damit leben lernen, dass in einem Projektteam sich jeder und jede als Kommunikationsspezialist verstehe. «Da beneide ich manchmal die Kollegen der Rechtsabteilung, die auf Gesetzesartikel verweisen können», schmunzelt Anita Schweizer. Auch in der Kommunikation gebe es rechtliche Themen zu beachten. Den Persönlichkeitsschutz etwa, wenn es um personelle Veränderungen geht. Oder die vielschichtigen Vorgaben der Börse und der Finanzmarktaufsicht. Zudem seien die Interessen der involvierten Anspruchsgruppen oft unterschiedlicher Natur. Man müsse in Szenarien denken, Güterabwägungen vornehmen und die Anliegen austarieren.

Die Bereitschaft zu Transparenz sei der TKB ein echtes Anliegen, ebenso wie der Anspruch auf Klarheit und Wahrheit. «Alles, was man sagt, muss wahr sein. Aber man kann nicht immer alles sagen.» Neben der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht, die die Finanzbranche überwacht und reguliert, hat die TKB als kantonales Institut auch eine politische Oberaufsicht. Diese wird durch die Regierung bzw. das Thurgauer Kantonsparlament ausgeübt, den Grossen Rat. Dieser ist sozusagen die Generalversammlung, er wählt er auf Vorschlag der Regierung die Mitglieder des Bankrats und verabschiedet den Geschäftsbericht. Der regelmässige Austausch mit den Eigentümer-Vertretern seien der TKB wichtig, und der Austausch funktioniere ausgezeichnet. Auch hier stehe der direkte Kontakt im Vordergrund, sagt Anita Schweizer, «mit dem Thurgauer Grossen Rat tauschen wir uns nicht über Facebook aus.»

 

Partizipanten informieren

Eine wichtige Kommunikationsplattform für die TKB sind die zahlreichen Anlässe, die sie für Kunden und weitere Anspruchsgruppen organisiert. Der grösste Anlass ist die jährliche Partizipanten-Versammlung. Über 2500 Inhaber von TKB -Partizipationsscheinen kann die Bank jeweils willkommen heissen. Auch wenn diese nicht über den Geschäftsbericht abstimmen können, wollen sie doch gut informiert sein. «Bei der Gestaltung des Anlasses haben wir grossen Freiraum, weil wir anders als bei einer klassischen Generalversammlung keine gesetzlich vorgegebene Agenda haben», sagt Anita Schweizer. Auch bei der Planung und Durchführung der Partizipanten-Versammlung würden verschiedene TKB-Abteilungen sowie externe Partner Hand in Hand arbeiten: Die Unternehmenskommunikation bereite die Inhalte auf, während die Marketingabteilung die organisatorischen Fäden ziehe – von der Logistik bis zum Nachtessen. «Eine schöne Teamarbeit», wie Anita Schweizer betont.

Engagement für Qualität

Ein grosses Anliegen war ihr stets das Thema Qualität und Professionalität. «PR-Fachleute müssen über ein breites Wissen verfügen, damit sie von der obersten Führungsebene ernst genommen werden und auf Augenhöhe agieren können.» Auch eine breite Allgemeinbildung sei wichtig, und man müsse mit politischen und regulatorischen Themen vertraut sein.

Die Kommunikationsdisziplinen seien seit dem Aufkommen der Sozialen Medien einem starken Wandel unterworfen, es bilden sich neue Berufsbilder. Anita Schweizer hat sich stets für eine qualitativ hochstehende Weiterentwicklung der Aus- und Weiterbildung im Bereich der Unternehmenskommunikation engagiert. Das Berufsbild der Public Relations werde oft falsch eingeschätzt, denn es sei weit mehr als die Pflege von Medienkontakten. Sie könne es daher nicht immer nachvollziehen, wenn hochrangige Kommunikationsstellen mit Journalisten besetzt würden, die keine vertiefte Kommunikationsausbildung durchlaufen hätten. «Journalismus und Kommunikation haben zwar viele Gemeinsamkeiten; im Kern sind es aber unterschiedliche Berufsgattungen.»

Text: Philipp Landmark

Bild: Marlies Thurnheer

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