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«Ohne Druck hätte es wohl länger gedauert»

«Ohne Druck hätte es wohl länger gedauert»
Michael Stillhard, stv. Leiter Unternehmensentwicklung am KSSG
Lesezeit: 3 Minuten

Vernetzung, Digitalisierung und Kundenfokus: In diesen drei Bereichen besteht gemäss Experten grosser Nachholbedarf im Schweizer Gesundheitswesen. Das sieht man auch im Kantonsspital St.Gallen so, wo man bei der Digitalisierung glücklicherweise schon weit fortgeschritten ist.

Marcel Salathé, Professor für digitale Epidemiologie an der EPFL, sagte Anfang des vergangenen Jahres, man habe im Gesundheitswesen technologisch gesehen rund «20 Jahre Rückstand». Als Beispiele nannte er das Fehlen des elektronischen Patientendossiers und einen mangelhaften Umgang mit Daten, die oft noch in PDFs feststeckten. Kurzum: Es fehle eine digitale Kultur. Auch Michael Stillhard, stv. Leiter Unternehmensentwicklung und verantwortlich für das Thema Innovation und Digitalisierung am KSSG, ortet Nachholbedarf.

Michael Stillhard, wo steht das Kantonsspital St.Gallen in Sachen Digitalisierung?
Das KSSG sieht sich gut gerüstet für die Digitalisierung. Bereits heute werden intern verschiedene digitale Lösungen genutzt und extern auch digitale Angebote etabliert. Zudem wurden verschiedene Grossprojekte lanciert, damit die Grundlagen für eine weitergehende Digitalisierung ausgebaut werden können. Inhaltlich sind dabei vor allem das neue klinische Informationssystem sowie die Aktualisierung der Basisinfrastruktur auf zukunftsfähige Technologien zu nennen.

Wurden während der Pandemie intern Bereiche geortet, in denen noch Nachholbedarf besteht und die man ohne die Pandemie vielleicht nicht so schnell entdeckt/angepasst hätte?
Die Pandemiesituation hat sicherlich die Entwicklung von telemedizinischen Angeboten beschleunigt und die Akzeptanz für digitale Lösungen sowohl seitens der Leistungserbringer, aber auch seitens der Gesellschaft verstärkt. Dies hätte ohne Drucksituation der Pandemie wohl länger gedauert.

Extern, also im Gesundheitswesen allgemein, wurden während der Pandemie hingegen diverse digitale Mängel festgestellt. Hat dies Ihre Arbeit am KSSG eingeschränkt?
Im KSSG konnten wir aufgrund der technischen Ausrüstung für die primär im administrativen Bereich tätigen Mitarbeiter rasch auf Homeoffice umstellen, was dann auch gut funktioniert hat. Im Kerngeschäft lief die Arbeit weiterhin reibungslos. Was uns dort vor grössere Herausforderungen stellte, war der teilweise Ausfall von Fachpersonen.

Wo orten Sie als Spital den dringendsten Nachholbedarf im Gesundheitswesen?
Die Betrachtung des Gesundheitswesens der Schweiz legt drei Schwerpunkte nahe: Vernetzung zwischen den verschiedenen Institutionen, Digitalisierung der eigenen Organisation und Kundenfokus.

Fangen wir an mit der Vernetzung. Ist damit eine Vernetzung der Leistungserbringer untereinander gemeint, wie sie teilweise mit dem elektronischen Patientendossier EPD angestrebt wird?
Genau. Es muss in der Schweiz einfacher werden, Gesundheitsdaten von Patienten digital zwischen Leistungserbringern entlang der vertikalen Versorgungskette (von der Prävention über den Hausarzt hin zum Spital und zu den nachbehandelnden Institutionen) auszutauschen.

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«Die Pandemie hat die Akzeptanz für digitale Lösungen verstärkt.»

Als zweiten Schwerpunkt nannten Sie die Digitalisierung. Können Sie das konkretisieren?
Der Begriff der Digitalisierung beschreibt die Optimierung von Prozessen innerhalb von Institutionen und die anschliessende Digitalisierung. Zu denken ist dabei beispielsweise an die Ablösung papierbasierter Strukturen in diversen Spitälern, die mit der Beschaffung von neuen klinischen Informationssystemen angegangen wird.

Und last, but not least hapert es auch noch im Bereich Kundenfokus …
Patienten schätzen die Vorteile von digitalen Lösungen zunehmend und sind auch bereit, diese zu nutzen. Insofern müssen hier neue Wege gedacht werden, wie die Patienten in ihrem Pfad durch das Gesundheitswesen besser unterstützt werden können.

In Deutschland wird derzeit mit dem sogenannten Digital Radar, der von der HSG mitentwickelt wurde, der aktuelle Stand der Digitalisierung in deutschen Krankenhäusern ausgewertet, um daraus entsprechende Massnahmen abzuleiten. Müsste so etwas auch in der Schweiz gemacht werden?
Ja, das wäre sehr zu begrüssen, damit man sich objektiv – auch international – vergleichen kann. Spannend wäre zudem, die Auswahl der Kriterien zu kennen, mit welchen der Digitalisierungsgrad im Digital Radar gemessen wird. Insbesondere die Unterschiede zum heute weit verbreiteten Reifegradmodell EMRAM.
Welche Digitalisierungsschritte stehen im KSSG in nächster Zeit an?
Aktuell beschäftigen wir uns mit der Erarbeitung einer Digitalisierungsstrategie, in welcher die zukünftige Stossrichtung von Digitalisierung im KSSG festgelegt wird. Diese bildet die Grundlage für die Lancierung von weiteren Digitalisierungsschritten.

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