AR: FDP erkämpft Sitz zurück

AR: FDP erkämpft Sitz zurück
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Die LEADER-Analyse der Parteien und Kandidaten im Kanton Appenzell-Ausserrhoden.

Wird Jennifer Abderhalden David Zuberbühler schlagen?

Ständerat

Ausgangslage
Der vormalige Nationalrat Andrea Caroni wechselte vor vier Jahren ganz selbstverständlich in den Ständerat. Nicht erst seit dann gilt der Jurist als Schwergewicht. Auch wenn man Rankings nicht überbewerten sollte: Dass die «Sonntagszeitung» Caroni als einflussreichsten Ostschweizer Parlamentarier unter der Bundeshauskuppel einstuft, kommt nicht von ungefähr. Er ist einer, der staatlichen Institutionen klare Aufgaben zuweisen und klare Grenzen aufzeigen will. Einer, der seine konsequent liberale Haltung auch dann durchzieht, wenn er damit garantiert keinen Applaus holen kann – etwa, wenn er sich für die Legalisierung der Polygamie ausspricht. Andrea Caroni sitzt so fest im Sattel, dass es lange Zeit so aussah, als ob sich niemand an ihm die Zähne ausbeissen wolle – auch nicht jemand aus den Reihen der SVP, die ja einhellig Unterstützung für den FDP-Ständerat signalisiert hatte. Dies, obwohl die Freisinnigen der SVP das Nationalsratsmandat streitig machen.

Doch dann kündigte der Herisauer SVP-Einwohnerrat Reto Sonderegger völlig überraschend seine Kandidatur an: ohne Absprache und ohne Unterstützung seiner Partei. Sonderegger wolle eine Auswahl bieten, teilte er mit. In einem Flugblatt wird er dann konkreter: Die FDP, schreibt er, sei die Partei der Bonzen, Shareholder, Konzerne und Banken und stehe für die Ausbeutung des Mittelstandes. Sonderegger wirbt mit SVP-Klassikern (gegen Minarette, gegen die EU), spricht sich aber auch für eine Einheitskrankenkasse oder für ein 5G-Moratoium aus.

Prognose
Reto Sonderegger ist mit seiner wilden Themenmischung eine Art Antithese zu Amtsinhaber Caroni, trotzdem dürfte er nicht einmal seine eigenen Parteigänger oder alle Caroni-Gegner auf sich vereinen. FDP-Ständerat Andrea Caroni verteidigt seinen Sitz souverän.

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Nationalrat

Ausgangslage
Ob die Nationalratswahl 2015 in Appenzell Ausserrhoden «historisch» war, bleibe dahingestellt. Die FDP jedenfalls, die erstmals überhaupt ohne Nationalratsmandat dastand, hätte wohl nichts dagegen, wenn dies ein Ausrutscher bliebe und in den Geschichtsbüchern übergangen würde.

Der amtierende FDP-Nationalrat Andrea Caroni wurde ohne Gegenkandidaten mit guten 12 308 Stimmen zum Ständerat und damit zum Nachfolger von Hans Altherr gewählt. Caronis Nachfolger hätte nach Drehbuch der FDP der heutige Direktor der IHK St.Gallen/Appenzell Markus Bänziger werden sollen. Doch Bänziger landete mit 5949 Stimmen in einem Dreikampf nur auf Platz zwei: Vor SP-Mann Jens Weber, der auf 5058 Stimmen kam, aber hinter SVP-Kandidat David Zuberbühler, dem 6394 Stimmen zum komfortablen Sieg reichten. Ein Sieg, über den sich die SP mindestens so sehr ärgerte wie die FDP: Schon früh signalisierten die Ausserrhoder Genossen, dass sie auf eine eigene Kandidatur verzichten würden, wenn die FDP mit einer progressiven Frau antreten würde. Hauptsache, «dä Zubi» und damit die SVP werden ihren Sitz wieder los.

Dabei ist ein Ausserrhoder SVP-Nationalrat gar nicht so aussergewöhnlich: In den letzten Legislaturperioden vor 2003, als der grössere Appenzeller Halbkanton noch zwei Vertreter in die grosse Kammer entsenden konnte, fuhr die Freisinnige Dorle Vallender zusammen mit Jakob Freund von der SVP nach Bern. Freund verlor seinen Sitz, als Ausserrhoden 2003 nur noch ein Mandat besetzen konnte und Marianne Kleiner von der FDP reüssierte. Wurden bei der Nationalratswahl bis dahin zahlreiche Listen von der Autopartei über die Gewerkschaften, der CVP, der SP, den Parteilosen und dem Komitee des früheren Nationalrats Herbert Mäder gebildet, wurde aus der Ausmarchung ab 2003 eine Personenwahl mit weniger Bewerberinnen und Bewerbern.

Analyse der Kandidaturen
In Ausserrhoden wird die Nationalratswahl zu einem Zweikampf. David Zuberbühler hat als SVP-Nationalrat zwar keine grossen Stricke zerrissen, er hat aber Sympathien gewonnen. Früh schon distanzierte er sich vom Apfel-Wurm-Sujet der SVP Schweiz und betonte, dass er über die Parteigrenzen hinaus arbeiten wollte. Derweil kam die FDP bei ihrer Operation Rückeroberung des Nationalratsmandats ins Trudeln. Zuerst präsentierte sie der Partei die erwartete Kandidatin Daniela Merz-Sturzenegger, doch dann musste Merz ihre Kandidatur aus gesundheitlichen Gründen zurückziehen. Immerhin: Die Ausserrhoder Liberalen schafften es, innert kurzer Frist mit Jennifer Abderhalden eine valable neue Kandidaten auf den Schild zu heben. Die 41-Jährige hat ein Lizentiat als Juristin sowie einen Master in Rechnungswesen und arbeitet als Stabschefin in der Direktion Inneres und Finanzen der Stadt St.Gallen, hat aber noch keine politische Ämter inne. Den vermeintlichen Makel, eine Ersatzlösung zu sein, kann die Freisinnige bei persönlichen Auftritten erstaunlich schnell vergessen machen.

Prognose
In Ausserrhoden wird der einzige Nationalratssitz im Proporzverfahren gewählt. Es gibt kein absolutes Mehr. Wer am meisten Stimmen auf sich vereinigt, fährt nach Bern. Eine einzige Stimme könnte das Duell Zuberbühler-Abderhalden also entscheiden. Das Rennen ist offen. Zuberbühler hat den Bonus als Bisheriger. Zudem hört man in Ausserrhoden da und dort den Wunsch, dass nicht beide Berner Mandate von einer einzigen Partei gehalten werden sollten. Trotzdem müsste sich Jennifer Abderhalden auf eine wesentlich breitere politische Basis abstützen können als ihr Gegner. Bei den letzten Kantonsratswahlen in Ausserrhoden war die FDP mit 24 Sitzen klar stärkste Gruppierung, danach kam die SP mit 9 Mandaten und erst dann die SVP mit 7 Sitzen. (die 20 Parteilosen haben sich verschiedenen Fraktionen angeschlossen).

Als KMU-Mann hat Zuberbühler in einem Hearing beim Ausserrhoder Gewerbeverband gepunktet und sich dessen Unterstützung gesichert. Der Verband Industrie AR unterstützt dagegen Jennifer Abderhalden, weil ihre Positionen – etwa zum Rahmenabkommen – dort besser ankommen. Mit ihrem gesellschaftspolitischen Profil erfüllt Abderhalden auch den Wunsch der SP nach einer progressiven, liberalen Kandidatin. Auch die CVP dürfte eher zu Abderhalden neigen, die EVP unterstützt sie bereits. Damit müsste die FDP trotz Startschwierigkeiten ihr Ziel eigentlich erreichen und den verlorenen Nationalratssitz zurückerobern. Die FDP könnte also bereits die dritte Frau nach Bern schicken.

Ergebnis:
Die SVP verliert den einzigen Sitz an die FDP. Jennifer Abderhalden wird gewählt.

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