Macht und Ohnmacht als alltägliche Erfahrungen
Tobias Wolf, Sie haben den diesjährigen KMU-Tag mit multimedialen Assoziationen eröffnet. Was hat Sie dazu inspiriert?
Bilder sagen oft mehr als tausend Worte, und heute sind Videos in Vorträgen die neuen Bilder. Wir alle lieben es, Geschichten zu hören, die uns berühren und zum Nachdenken anregen. Deswegen arbeite ich gerne mit Metaphern und persönlichen Anekdoten. Mein Ziel war es, Emotionen zu wecken und den Teilnehmern zu zeigen, dass Macht und Machtlosigkeit keine abstrakten Konzepte sind, sondern Teil unseres täglichen Lebens. Ich wollte verdeutlichen, dass diese Begriffe lebendige Erfahrungen widerspiegeln, die jeder von uns durchlebt.
Welche Botschaft wollten Sie den KMU-Vertretern mit Ihrem humorvollen Ansatz vermitteln?
Dass Macht und Ohnmacht zwar ernste Themen sind, aber man sie auch mit einer Prise Leichtigkeit betrachten kann. Jeder von uns kennt Momente, in denen man sich als Unternehmer mächtig fühlt – und dann gibt es diese Tage, an denen äussere Einflüsse einem den Boden unter den Füssen wegziehen. Meine Botschaft war, dass Macht und Ohnmacht eng miteinander verbunden sind und dass es hilft, flexibel und resilient zu bleiben. Humor kann hier als Ventil dienen. Er nimmt die Schwere raus und erinnert uns daran, dass wir mit unseren Herausforderungen nicht allein sind.
Am Anlass haben Sie auch die Ergebnisse der KMU-Tag-Studie präsentiert. Welche Erkenntnisse waren für Sie überraschend?
Wie stark die Erwartungen an Künstliche Intelligenz in den KMU verankert sind: Ganze 75 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass KI in den kommenden Jahren die Marktverhältnisse nachhaltig verändern wird. Noch erstaunlicher fand ich, dass über 60 Prozent erwarten, dass KI nicht nur operative Prozesse optimiert, sondern auch strategische Entscheidungen unterstützt. Das zeigt, dass viele KMU KI nicht als Spielerei betrachten, sondern als ernstzunehmenden Faktor für ihre Zukunft.
Und warum fühlen sich viele Unternehmer heutzutage oft machtlos?
Das liegt vor allem daran, dass sich die Rahmenbedingungen für Unternehmen schneller und intensiver verändern als je zuvor. Technologische Entwicklungen wie die Digitalisierung, der Fachkräftemangel und die Erwartungen der jüngeren Generation, die nach flexiblen Arbeitsbedingungen und sinnstiftenden Tätigkeiten suchen, setzen KMU zunehmend unter Druck. Gepaart mit politischen Unsicherheiten und volatilen Märkten entsteht oft das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren. Besonders kleinere Unternehmen haben oft nicht die nötigen Ressourcen, um alle Veränderungen zeitnah umzusetzen, was zu einem Gefühl der Machtlosigkeit führen kann.
Wie können KMU also Herausforderungen wie dem Fachkräftemangel begegnen?
KMU sollten ihre Stärken nutzen, wie die familiäre Unternehmenskultur und flache Hierarchien. Gerade jüngere Generationen legen grossen Wert auf Flexibilität und Sinn in ihrer Arbeit. Hier können KMU punkten, indem sie flexible Arbeitsmodelle anbieten und Mitarbeitern Raum für Eigenverantwortung geben. Gleichzeitig bleibt die gezielte Weiterbildung zentral. Wenn es schwierig ist, Fachkräfte extern zu gewinnen, sollten Unternehmen in die interne Talententwicklung investieren. Das erhöht die Bindung und Motivation der Angestellten und schafft langfristig Wettbewerbsvorteile.
Sie sind bekannt für Ihre kreative Art, komplexe Themen aufzubereiten. Welche Rolle spielt Humor dabei?
Humor schafft eine Leichtigkeit, die es ermöglicht, sich auch schwierigen Themen zu öffnen, ohne gleich davon überwältigt zu werden. Gerade bei einem Thema wie Macht und Machtlosigkeit – das oft mit Unsicherheiten oder Ängsten verbunden ist – hilft Humor, die Schwere herauszunehmen. Ein Lächeln oder ein Schmunzeln bringt oft die Erkenntnis: «Ich bin nicht allein mit diesen Herausforderungen.» Humor baut Brücken und macht Botschaften zugänglicher, ohne dabei an Tiefe zu verlieren.
Welche Lehren können KMU aus der Reflexion über Macht und Machtlosigkeit ziehen, um langfristig erfolgreich zu sein?
Es gibt zwei zentrale Erkenntnisse,die ich mitgenommen habe. Erstens: Sich machtlos zu fühlen, bedeutet nicht, tatsächlich machtlos zu sein. Und zweitens: Als KMU-Führungskraft bedeutet Macht nicht, alles kontrollieren zu müssen, sondern auch loszulassen und sich den Veränderungen anzupassen. Wer flexibel bleibt, wird langfristig erfolgreicher sein.
Text: Patrick Stämpfli
Bild: Marlies Beeler-Thurnheer