Fokus MEM

«Kunden bestellen wieder»

«Kunden bestellen wieder»
Corina Steffen
Lesezeit: 4 Minuten

Eine Lehre in der Maschinen-, Elektro- und Metallbaubranche (MEM) eröffne viele Perspektiven, betont Corina Steffen, die neue Präsidentin der Sektion Thurgau von Swiss Engineering. «Um genügend Nachwuchs zu gewinnen, müssen wir die Menschen früher abholen», sagt die Elektronikingenieurin, die nie gern mit Puppen gespielt hat.

Corina Steffen, Pandemiemassnahmen, Lieferkettenprobleme, der Ukraine-Krieg und Energiemangel haben die vergangenen Jahre geprägt. Wie hat sich das auf die Ostschweizer Technologieunternehmen ausgewirkt?
Lieferschwierigkeiten hatten vor allem Ungewissheiten in der Planung und im Einkauf zur Folge. Jeder Auftrag musste mehrmals in die Hände genommen werden (bis zu 20-mal). Ebenso galt es, Abläufe und Prozesse zu überdenken. Aber das kann auch eine Chance sein! Auf Mitarbeiterebene hat sich der Fachkräftemangel erneut verschärft, das ist weltweit spürbar.

Die Befürchtungen vom Herbst 2022, die MEM-Industrie könnte in einen Abschwung geraten, haben sich nicht bewahrheitet. Umsätze und Exporte zeigen nach oben. Viel Lärm um nichts?
Es stimmt. Die Aufträge sind vorhanden, die Kunden bestellen wieder. Die Bauteilkrise hat sich zwar beruhigt, ist aber noch nicht ganz vorbei, und die Inflation bleibt in der Schweiz auf relativ tiefem Niveau. Es herrscht also keine schlechte Stimmung. Zudem fühlen sich Angestellte wieder sicherer. Es sind keine Jobverlustängste mehr vorhanden wie noch während der Coronakrise. Das ist auch für die Unternehmen von Vorteil.

Viele Jahre klagten Unternehmen über die Frankenstärke. Ist das Thema vom Tisch?
Richtig: Der harte Franken ist im Vergleich zu anderen Rahmenbedingungen etwas in den Hintergrund getreten. Aber wir müssen nach wie vor konkurrenzfähig bleiben. Die Währungsproblematik ist sehr auftrags- und unternehmensabhängig.

 

Mitte letzten Jahres wurden die Energiemärkte durchgeschüttelt, es kamen Krisenängste auf. Wie haben Sie das erlebt?
Wir haben uns darauf vorbereitet. Der milde Winter hat die Krisenproblematik allerdings relativiert, doch das Bewusstsein wurde gefördert, ohne gleich in Panik zu verfallen. 

Wie stark ist der Druck auf die Industrie, ihre Aktivitäten in andere Regionen zu verlagern?
Wir müssen die Prozesse und Abläufe optimieren, um konkurrenzfähig zu bleiben. Der Druck ist je nach Exportquote stärker oder schwächer.

Der Arbeits- und vor allem der Fachkräftemangel begleitet die MEM-Industrie schon lange. Wie gehen Sie damit um?
Wenn wir Leute suchen, ist die Zahl der Bewerbungen kleiner als früher und die Zahl der qualifizierten Bewerber gering. Der Aufwand, um valable Kandidaten zu finden, ist grösser geworden. Wir inserieren mehr, wir informieren unsere Mitarbeiter besser über freie Stellen, und wir bearbeiten bewusst den lokalen Arbeitsmarkt. Dazu gehört auch die Präsenz an lokalen Gewerbeausstellungen oder Tagungen.

 

  

Produziert unser Bildungswesen zu wenig Nachwuchs für die MEM-Branche?
Die Frage ist für mich vielmehr die: Wohin gehen all die studierten Leute? Wir haben genügend Ausbildungsplätze und Studienmöglichkeiten, aber die ausgebildeten Leute sind nicht auf dem Markt zu finden. Dabei sind die Perspektiven gut. Wer einen Beruf in der MEM-Branche wählt und Gas gibt, kann mit 23 Jahren schon Ingenieur werden.

Was tut die Branche selbst für den Nachwuchs?
Wir bieten interessante Lehrstellen in verschiedenen Technologiebereichen an. Danach sind Weiterbildungen möglich. Ingenieur werden kann, wer eine Fachhochschule besucht oder via Passerelle an die ETH geht. Man verbaut sich mit einer Lehre in der MEM-Branche also nichts, auch wenn man sich mit 14 schon entscheidet. Das duale Bildungssystem ist wirklich ein gutes System.

Was trägt der Berufsverband der Ingenieure und Architekten, Swiss Engineering, dazu bei, mehr junge Leute für die technischen Berufe zu gewinnen?
Swiss Engineering zeigt die Möglichkeiten auf, die der Ingenieurberuf in vielen Industriebereichen bietet. Wir besuchen jedes Jahr eine Reihe interessanter Unternehmen, bilden ein Netzwerk und bringen Leute miteinander ins Gespräch. Zudem bieten wir ein Mentoring-Programm für junge Ingenieure an. Aber um Nachwuchs zu gewinnen, müssen wir sicher die Menschen früher abholen, wir müssen mit geeigneten Massnahmen schon den Oberstufenschülern die technischen Berufe besser vermitteln.

 

Wie führt man Jugendliche an die Technikberufe heran?
Das fängt zu Hause an mit den Spielsachen: Kinder sollten nicht nur am iPad sitzen, sondern raus aus dem Haus, eine Baumhütte oder eine Seifenkiste bauen. Eltern und Schulen sind hier gefordert, die Möglichkeiten zu zeigen und bei der Berufswahl zu begleiten. Immerhin können die Jugendlichen viel besser mit Computern umgehen als früher. Dies hilft natürlich auch in einem technischen Beruf. Aber hier ist ein guter Mix gefragt.

Werden technisches Verständnis und handwerkliches Geschick generell zu wenig geschätzt respektive gefördert?
Das geht am besten über Produkte. Was Polymechaniker, Elektroniker oder Ingenieure erstellen, ist etwas Handfestes. Diese Berufe tun viel für unsere Zukunft. Sie bauen energieeffiziente Fahrzeuge, konstruieren Informatikkomponenten und -programme oder entwickeln medizinaltechnische Geräte, die unser Leben besser, sicherer und ökologischer machen. Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag für die ganze Gesellschaft.

Zum Schluss: Wie sind Sie zur Ingenieurin geworden?
Mich hat Technik schon immer interessiert. Ich wollte schon als kleines Mädchen wissen, wie Dinge funktionieren, nahm Geräte meines Vaters auseinander und baute sie wieder zusammen. Ich habe gern mit meinen Händen gearbeitet, aber nie gern mit Puppen gespielt. Darum wurde ich später Elektronikerin. Danach bildete ich mit berufsbegleitend am Abendtechnikum zur Ingenieurin aus und absolvierte ein Nachdiplomstudium, um meine Führungskompetenzen zu erweitern.

Text: Martin Sinzig

Bild: Martin Sinzig

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